In der heutigen Fasanerie-Nord konnten sich um 1900 Menschen ansiedeln, weil zuvor Siedlungsflächen nördlich des ehemaligen „Königlichen Oberen Fasanengartens“ von einigen Seiten, unter anderen von der Feldmochinger Pfarrei St. Peter und Paul, dafür frei gestellt worden waren.
Es siedelten sich vor allem Handwerker und Gewerbetreibende, aber auch eine große Zahl Gärtner an, denn der anmoorige Mineralboden eignet sich gut für den Gemüse- und Blumenanbau. Aus Überlieferungen ist bekannt, dass sich die ersten Siedler unter sehr schweren und entbehrungsreichen Umständen eine Existenz aufbauen mussten. Sie errichteten kleine Häuser und taten alles, um ihre wenigen Anbauflächen, auch mit fremder Hilfe, zu entwässern und zu kultivieren, auf dass sie gärtnerisch zu nutzen waren.
Als erster Gärtner in der Fasanerie ist ein Hans Aschauer überliefert, der sich bereits 1897 nahe der Bahnstrecke an der heutigen Feldmochinger Str. ansiedelte. (In dessen Haus wohnte später, ab 1909, der bekannte Bildhauer Wilhelm Göhring. Dieses schöne, historische Haus musste leider vor einigen Jahren einem Edeka-Markt am Bahnübergang weichen.) Schon bald schlossen sich die neuen Siedler zu einer „Freien Vereinigung zur Förderung der Interessen der Fasanerie-Moosach“ unter dem rührigen Vorstand Konrad Mürringer zusammen, um sich nach innen im Miteinander zu helfen und um nach außen hin geschlossen stärker auftreten zu können.
Die Mutterkirche St. Peter und Paul und ihre Filialkirchen im Umkreis
Die katholische Pfarrei von Feldmoching, St. Peter und Paul, war als Mutterkirche für die seelsorgerische Betreuung dieser Kolonien zuständig. Filial- oder Tochterkirchen standen teilweise bis ins 20. Jahrhundert hinein etwa in Moosach, Milbertshofen, Hochmutting, in der Lerchenau, in Oberschleißheim, dem Frauenholz (Hasenbergl) und eben auch in der Fasanerie.
Schon in früher Zeit gab es aber in den Kolonien – so auch in der Fasanerie, wo das Jahr 1911 dokumentiert ist – Bestrebungen, sich von der Gemeinde Feldmoching und auch von der dortigen Mutterkirche St. Peter und Paul loszulösen. Die Menschen wollten in ihrer Siedlung eine eigene Gemeinde gründen und eine unabhängige christliche Seelsorge sichergestellt wissen. Die Gemeindevertreter Feldmochings wie auch die Kirchenleitung von St. Peter und Paul dürften diesem Ansinnen gar nicht so abgeneigt gegenüber gestanden sein.
Ein historischer Meilenstein in dieser Bestrebung um die geistige und gesellschaftliche Verselbständigung der heutigen Fasanerie-Nord ist die „Alte Kirche St. Christoph“, jene vor 84 Jahren entstandene, zur damaligen Zeit nicht unüblich barockisierend nachempfunden und heute denkmalgeschützte Kapelle am Blütenanger, die von den Bewohnern der Fasanerie gern liebevoll „unser Christophorus-Kirchlein“ genannt wird. „Unsere Alte Kirche St. Christoph ist eine Herzkammer der Fasanerie“, so Kirchenpfleger Joseph Weber. „Hier gaben sich schon meine Eltern das Versprechen zum heiligen Sakrament der Ehe und hier wurde auch ich getauft“, weiß er zu berichten.
Ein harter Weg bis zur Kirchweihe
Die Entstehungsgeschichte dieser kleinen Kapelle ist recht ereignisreich und soll darum hier auch nur in den wichtigsten Teilen beschrieben werden. Um in der zur damaligen Zeit noch kleinen Siedlung einen Kirchenbau zu verwirklichen, mussten einige organisatorische Voraussetzungen erfüllt sein. Da war es von unschätzbarem Wert, dass Pfarrer Josef Zintl, der 1912 nach Feldmoching gekommen war, der Fasanerie sogleich seine Hilfe anbot. Bereits am 22. Januar 1913 konnte ein „Kirchenbauverein St. Christoph Fasanerie-Nord e. V“ (seit 1920 heißt die Siedlung offiziell Fasanerie-Nord) gegründet werden, dem schon im Juni desselben Jahres 60 Mitglieder angehörten. Die Vereinsgründer hatten sich bereits zu dieser Zeit darauf verständigt, dass ihre künftige Kirche unter das Patronat des heiligen Christoph, des Schutzheiligen der Gärtner (sowie der Pilger, der Reisenden, Schiffer und Fuhrleute), gestellt werden sollte. Der Christophorus, der auch zu den 14 Nothelfern zählt, ist übrigens durch das Motiv des grünenden Stabs zum Schutzheiligen der Gärtner geworden.
Doch zurück ins Jahr 1913. Zu der Zeit bestand bereits ein Angebot der „Neuen Münchner Immobiliengesellschaft“ an den Förderverein Fasanerie, für den Neubau einer Kirche aus eigenem Besitz rund 4.200 qm Grund bereitzustellen. Da damit schon zu diesem frühen Zeitpunkt ein Kirchplatz vorhanden war, errichtete der Kirchenbauverein als Willenssymbol der eigenständigen Glaubensausübung und der bevorstehenden großen Aufgabe darauf ein großes Kreuz, das Pfarrherr Josef Zintl unter großer Anteilnahme der Bevölkerung am 10. Mai 1914 feierlich weihte.
Nach den Schüssen von Sarajewo brach am 1. August 1914 der Erste Weltkrieg aus. Alle Kirchenbaupläne in der Fasanerie waren damit auf Eis gelegt.
Zum Kriegsende 1918 kam es zur Revolution und ab 1919 entwickelte sich die Politik in eine unselige Richtung, die schließlich 1922/23 mit der Hyperinflation und der Weltwirtschaftskrise ihren dramatischen Höhepunkt erreichte. Doch die Kirchenbauer in der Fasanerie blieben sich und ihren Zielen trotzdem treu! Am 22. Juni 1923 gründeten sie eine „Kirchenstiftung St. Christoph“. Sie sammelten mit Hilfe von Pfarrer Zintl erfolgreich finanzielle Mittel und Materialien ein (so wird von einer „wohltätigen Dame“ namens Salzedo berichtet) und die Neue Münchner Immobiliengesellschaft erneuerte ihr Angebot eines Kirchenplatzes mit nun 6.500 qm Fläche. Aber am Ende der Inflation standen die Bewohner der Fasanerie wieder mit leeren Händen da! Zu der Zeit lebten übrigens in der Fasanerie rund 500 katholische Einwohner – in 70 Häusern.
Erst der dritte Anlauf sollte zum Erfolg führen
Am 7. März 1924 übereignete die „Neue Münchner Immobiliengesellschaft“ dem Kirchenbauverein vertraglich ein 6.500 qm großes Grundstück für den Kirchenbau auf dem „Christophorus-Platz“. Hier sollte sich später die Ortsmitte der Fasanerie bilden. Nun kannte die Fantasie des Geldsammelns keine Grenzen: Es wurde großzügig gespendet und mit der Herausgabe von „Bausteinen“ zu je 50 Pfg. konnten sich auch weniger betuchte Einwohner beteiligen. Der wirtschaftliche Verband der katholischen Geistlichen in Bayern, die „Liga der Katholischen Geistlichen“ in Regenburg, zeigte sich spendabel und auch die Erzbischöfliche Finanzkammer München und Freising öffnete großzügig ihre Geldschatulle. Dahinter stand mit Rat und Tat und in engster Abstimmung mit dem Kirchenbauverein der Feldmochinger Pfarrer Josef Zintl. Erzbischof Franz Bettinger erteilte den Kirchenbauern in der Fasanerie gleichfalls seinen Segen. Unter so günstigen Vorzeichen konnte man mit den Bauplanungen beginnen, wenngleich für eine kleinere Kirche als ursprünglich gedacht.
Die Christophorus-Kapelle war ein Eigenwerk der Fasanerie
Die Baupläne für das Kirchlein schuf der Münchner Oberbaurat Prof. Hermann Selzer. Der Bau begann zügig im Oktober 1926. Schon neun Monate später, im Juni 1927, stand die St.-Christoph-Kapelle fertig da.
Die notgedrungenen Abstriche bei der Größe (nur 850 qm umbauter Raum für lediglich 100 Gläubige) und der Ausstattung minderten die Freude nicht. Gebaut haben die Kapelle – mit Ausnahme des Steinfliesenbodens – Handwerker und Arbeiter aus der Fasanerie. Den Hochaltar fertigte Zimmermeister Stiegler, die zwei seitlichen Cherubine (Himmelsfiguren) schuf der Künstler Wilhelm Göhring, beide aus der Fasanerie. Das Bildnis der heiligen Christophorus mit dem Kind auf seiner Schulter ist das Werk des Malers Max Rimboeck aus der Fasanerie und entstand 1929.
Über den großen Tag der Benediktion der ersten Kirche in der Fasanerie am 26. Juni 1927 durch Domkapitular Gallinger ist überliefert, dass daran unzählige Gläubige aus der Fasanerie (vermutlich alle) und aus Feldmoching teilgenommen haben.
1928 wurde die Kirchengemeinde St. Christoph zur Kuratie erhoben. Erster Kurat wurde der bisherige Kooperator Anton Müller. Kurat Müller betrieb mit viel Energie die Errichtung eines Kuratiehauses in der Nähe der Kirche. Die Finanzierungs- und Bau-Umstände wären eine eigene Geschichte wert. Das Haus geriet jedenfalls ein wenig zu groß und bald stellten sich größere Baumängel ein. Heute steht es ungenutzt, von großen Bäumen verdeckt, auf dem Gelände der „Klinik am Fasanengarten“.
Mit dem Anwachsen der katholischen Gemeinde – 1935 gab es bereits 1.000 Katholiken in der Fasanerie-Nord – war die Kapelle schon bald viel zu klein. An den Sonntagen hielt der einzige für die Fasanerie im Dienst stehende Priester bis zu drei Gottesdienste ab. (Eine Messe am Samstagabend gab es damals noch nicht.) Und bei günstiger Witterung wurden große Gottesdienste auch schon mal im Freien gefeiert.
Die Erweiterung der Kapelle zu einer großen Kirche für mindestens 500 Gläubige, für die der Münchner Architekt Prof. Hermann Selzer bereits Pläne ausgearbeitet hatte, scheiterte sowohl an der seit 1933 der Kirche gegenüber kritischen politischen Gesamtlage als auch am fehlenden Geld. Laut Architektenplan sollte bei dieser „großen“ Kirche St. Christoph die „kleine“ Kapelle den Altarraum bilden. Doch der Plan musste fallen gelassen werden. Erst 1953 schuf eine aus Schwabing herbeigeschaffte und am vorderen Blütenanger errichtete Behelfskirche die ersehnte Entlastung. Allerdings zu dem Preis, dass von nun an das alte Kirchlein St. Christoph nicht mehr in liturgischen Diensten stand. Das gesamte Gelände am Christophorus-Platz samt Kirchlein ging später in den Besitz der Caritas über, die dort 1972 die Klinik Fasanengarten errichtete. Das Alte Kirchlein St. Christoph stand ungenutzt und wurde gar als Abstellraum missbraucht.
Am 25. Dezember 1951 wurde St. Christoph zur selbständigen Pfarrkuratie erhoben (mit 2.300 Gemeindemitgliedern), erster Kurat wurde Peter Himmler. Erst mit Wirkung vom 1. Mai 1956 erhob Joseph Kardinal Wendel die Kuratie Fasanerie zur Stadtpfarrei. Erster Stadtpfarrer war der bisherige Kurat Peter Himmler.
Das Kirchlein St. Christoph wird wiedererweckt
Doch seit 2001 rumorte es in der Pfarrgemeinde wegen der „vergessenen“ Alten Kirche St. Christoph. Die Forderung „Wir holen unsere alte Kirche wieder heim“, so der ehemalige Kirchenpfleger Alois Hofmann, ging in der Gemeinde um. Es gelang. Das Kirchlein wurde aus dem Caritas-Areal herausgelöst. Es folgte eine viermonatige innere und äußere Generalsanierung der Kirche samt einer Erneuerung der Außenanlage, was einen Betrag von 120.000 Euro verschlang. Die Kosten teilten sich zu je einem Drittel die Erzdiözese München-Freising, die Caritas und die Kirchengemeinde. Und wieder legten vorwiegend Mitglieder der Pfarrgemeinde Hand an. Die Renovierung des Christophorus-Kirchleins zu einem „Kleinod der Fasanerie“ war in erster Linie ihr Werk.
Mit großer Freude und unter reger Beteiligung der Kirchengemeinden St. Christoph sowie St. Peter und Paul übergab am 22. Juli 2006, dem Namenstag des Kirchenpatrons, der Direktor des Caritas-Verbands München und Freising, Prälat Hans Lindenberger, die neue „Alte Kirche St. Christoph“ der katholischen Pfarrgemeinde in der Fasanerie zur „eigenverantwortlichen Nutzung“. Seitdem nutzt sie die Pfarrgemeinde zu liturgischen Feiern, zu Taufen, Hochzeiten und anderen kirchlichen Anlässen.
Es darf als ein Zeichen besonderer Verbundenheit im Glauben und in den Traditionen der beiden Kirchengemeinden St. Christoph und St. Peter und Paul empfunden werden, dass schon bald nach der liturgischen Aktivierung des „Alten“ Kirchleins einer der in früheren Zeiten drei jährlichen Bittgänge in der Woche vor Himmelfahrt von St. Peter und Paul aus zu den Tochtergemeinden beziehungsweise zu Filialkirchen mit dem Bittgang in die Fasanerie wieder eingeführt wurde. Weitere Bittgänge der Gemeinde von St. Peter und Paul führten einst nach Karlsfeld und nach Oberschleißheim. Mit den Bittgängen über die Flure wollte man um gedeihliches Wetter beten.
Ein herzliches Vergelt`s Gott für Auskünfte und Unterlagen geht an J. Weber, A. Hofmann u. a. sowie an H. Theimer vom Kulturverein Feldmoching. Auszüge stammen aus dem „Feldmoching-Hasenbergl“-Buch von Volker Laturell.