Spätestens mit dem Ausruf der Zeitenwende durch Bundeskanzler Olaf Scholz wird die Notwendigkeit militärischer Stärke und der Bereitschaft, sich notfalls auch mit Gewalt zu verteidigen, wieder in einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert. Am Sonntag, den 18. August auch in der Bethanienkirche, im Rahmen des „Kirchen-Cafés“, nun Spirited genannt.
In einer christlichen Welt soll Gewalt keine Rolle spielen, das Reich Gottes wird durch Liebe, Vergebung und Gnade regiert. Gleichzeitig bekennt sich mehr als die Hälfte der Angehörigen der Bundeswehr als Christen. Dass das kein Widerspruch, sondern im Gegenteil sehr gut miteinander vereinbar ist, war Thema der Diskussion bei „Spirited“, zu dem der Förderverein „Gemeinschaft braucht Räume“ Mitte August in die Bethanienkirche eingeladen hatte. Als Experte war Militärpfarrer Wolf Eckhard Miethke vom Evangelischen Militärpfarramt Ingolstadt zu Gast.
Unter Umständen braucht es für Frieden Anwendung von Gewalt
Zu einer kleinen Andacht versammeln sich die Teilnehmer zunächst um den Altar. Der anschließende Diskussionsteil bei Kaffee und Kuchen beginnt mit einer Einleitung zum Thema „Militär und Christ“ und der Aufforderung Jesu, bei einem Schlag auf die rechte Backe auch die andere hinzuhalten. Dies sei keine Aufforderung, sich ohne Gegenwehr beliebig Gewalt auszusetzen, sondern könne als Appell verstanden werden, zunächst die Situation mit einer geänderten Perspektive zu betrachten, die Blickrichtung zu verändern und nicht vorschnell ebenfalls mit Gewalt zu reagieren. Schon Martin Luther spricht davon, dass wir, solange wir das Reich Gottes auf Erden noch nicht haben, ein weltliches Reich oder Regiment brauchen, in dem Gott durch das Gesetz und die weltliche Obrigkeit, den Staat, regiert. Hier ist die Anwendung von Gewalt unter bestimmten Umständen erlaubt und sogar notwendig, um Gerechtigkeit und Frieden in der Gesellschaft zu gewährleisten.
Die Aufgabe der Militärseelsorge
Soldaten der Bundeswehr haben diese Aufgabe und Militärpfarrer Miethke sieht eine wesentliche Rolle der Militärseelsorge darin, Soldaten dabei zu unterstützen, ihren somit auch christlichen Auftrag zu erfüllen. Anhand vieler Beispiele auch aus seiner eigenen Erfahrung macht er die Breite der Aufgaben klar. Sie reichen von Problemen in persönlichen Beziehungen und Familien, wie sie auch außerhalb des Militärs auftreten, über die erschwerenden Bedingungen durch gefährliche Auslandseinsätze bis zur Begleitung bei Verlust von Kameraden und sogar zu Fällen, in denen Bundeswehrsoldaten tödliche Schüsse abgegeben haben.
Die Geschichte von David und Goliath, welche die meisten von uns eher wegen des Siegs des kleinen David gegen den großen Goliath kennen, sieht Militärpfarrer Miethke als ein gutes Beispiel für Militärseelsorge. Davids Vater hatte seinen jüngsten Sohn nämlich nicht zum Kämpfen auf das Schlachtfeld geschickt, sondern um nach seinen Brüdern zu sehen, ob es ihnen gut gehe, ob sie wie es im hebräischen heißt „im Shalom“ seien, denn nur dann sind sie in der Lage ihren Auftrag zu erfüllen. So leistet auch die Militärseelsorge einen wesentlichen Beitrag dazu, dass Soldaten in der Lage sind, schwierige Entscheidungen als Christen zu treffen.
Leider zeigt die aktuelle Weltpolitik, dass diese Aufgabe nicht leichter wird. Im Gegenteil. Mit der Aufforderung des Bundeskanzlers in seiner Rede zur Zeitenwende, zu verhindern, dass Putins Krieg auf andere Länder in Europa übergreift, muss sich auch die Militärseelsorge auf neue Aufgaben vorbereiten. Nicht nur Auslandseinsätze, sondern innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre auf Einsätze in einem Verteidigungsfall in Europa. Die Konsequenzen der Zeitenwende, so erläutert Militärpfarrer Miethke, beginnen wir als Gesellschaft und als Christen gerade erst zu verstehen.
Das nächste Kirchen-Café gibt Tipps zum Internet-Umgang
Das nächste Spirited-Treffen findet am Sonntag, den 3. November um 10 Uhr in der Bethanienkirche zum Thema „Wie behaupte ich mich im Internet“ statt. Die Vorteile des Internets wie zum Beispiel Informationsvielfalt, Unterhaltung und soziale Kontakte sind mit Risiken verbunden. An dem Tag sollen auch für Laien leicht verständliche Tipps gegeben werden, wie sie die Risiken minimieren können, um eigene Passwörter und Bankkontodaten zu schützen, Identitätsverlust zu vermeiden und Filterblasen oder Manipulationen besser zu erkennen.
Johannes Staeves
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