Diesen Appell, mitzumachen bei der Ideenwerkstatt, sich einzubringen, Kritik zu üben an Ideen und Visionen der fünf Planungsteams, in Diskussionen mit ihnen einzutreten – all das bekamen die interessierten Zuhörer von Stadtbaurätin Elisabeth Merk über die verschiedenen Stadtplaner, Projektleiter und Unterzuständigen bis hin zu den Vertretern der fünf Planungsteams, die sich an diesem Abend vorstellten, in zig Variationen zu hören. Dabei waren zumindest zur Auftaktveranstaltung nicht allzu viele Bürger gekommen – viele Stühle blieben leer. Ausblieben aber auch Proteste oder Unmutsbekundigungen. Vor der Schule hatten sich lediglich zwei CSUler aufgestellt mit dem großen Plakat: „Keine Planungen auf Flächen privater Eigentümer!“
Dafür hatten immerhin von den 80 Stadträten ein paar den Weg in den Münchner Norden gefunden, nicht in den 24. Stadtbezirk zwar, aber zumindest in den 11er. Denn die Auftaktveranstaltung fand, mangels Platz im hiesigen Stadtbezirk in der Aula der BOS/FOS an der Nordhaide statt. Gesehen wurden: Leo Agerer und Hans Theiss (CSU), Simone Burger (SPD), Anna Hanusch (Grüne), Dirk Höpner (München-Liste) und Brigitte Wolf (Die Linke). Aus dem Landtag haben wir zudem noch die Grünen Christian Hirneis (der ist zwar der direkt gewählte Abgeordnete des Stimmkreises 108 München-Schwabing, war aber auch anwesend in seiner Funktion als Vorsitzender des Bunds Naturschutz in der Stadt und im Landkreis München, der zusammen mit dem LBV 2021 ein naturschutzfachliches Gutachten für das SEM-Nord-Gebiet erstellt hat, siehe Lokal-Anzeiger 16/2021) und Benjamin Adjei gesichtet. Und dazu viele BA-24-Mitglieder, einige Vertreter von Vereinen und Bündnissen sowie Prof. Dr. Rudolf Hierl von Hierl Architekten, der im Expertengremium sitzt, das letztlich seine Empfehlungen zu den Visionen der fünf Planungsteams aussprechen wird.
Größere Zusammenhänge haben längere Vorlaufzeiten
Die Ideenwerkstatt ist Teil der Machbarkeitsstudie zur möglichen weiteren Bebauung des 24. Stadtbezirks und damit Teil eines langen Prozesses. Sie hat, wie Stadtbaurätin Elisabeth Merk betonte, aber große Bedeutung und ist relativ aufwendig und anspruchsvoll für die teilnehmenden Büros wie für die Stadtplanung, denn die Ideen und Arbeitsansätze der fünf Teams könnten im Prozess bereits diskutiert und hinterfragt werden mit den Stadtplanern und Bürgern. Und Stadtbaurätin Merk betonte erneut, dass es keine Vorgaben an die fünf Teams gebe, keine Größenordnungen an Wohnungen und Gewerbeflächen. Der Prozess sei offen, die Ergebnisse nicht in Stein gemeißelt. Vorgegeben seien lediglich die sechs inzwischen bekannten Ellipsen (bzw. Kreise), sprich Teilräume: Fasanerie Nord, Östlich Schrederwiesen, östlich Siedlung Ludwigsfeld, Feldmoching West, Feldmoching Nordwest, Feldmoching Nord. Diese sollen ganzheitlich in größeren Zusammenhängen und damit längeren Vorlaufzeiten betrachtet werden.
2025, wenn die Stadtplanung mit einem Beschlussentwurf in den Stadtrat gehen will – angepeilt ist das für Mitte des Jahres –, hätten sich dann vielleicht zwei bis drei Teilbereiche herauskristallisiert, wo man sinnvoll bauen könne. Es gehe darum, was machbar sei und was man dazu brauche. In München fehle etwa der tangentiale Ringschluss. Auch treibe die Stadtplanung Infrastrukturthemen um: Wo kommen Geothermieanlagen hin und große Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen, Umspannwerke … all das habe Einfluss auf die Räume und bedürfe großräumiger Betrachtung. Auch gehe es um die Frage, wo man eventuell besser Areale freihalte für die nächsten Generationen.
Philine Stadtmüller, stellvertretende Abteilungsleitung Sonderplanungen und Projektentwicklung im Planungsreferat, gab einen zeitlichen Ausblick: Bis 2027 sollen in einer Machbarkeitsstudie die Chancen und Grenzen einer möglichen Entwicklung ausgelotet werden, anschließend bis Mitte der 2030er-Jahre in Phase 2 die Untersuchungen in planerischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht vertieft fortgeführt werden. Schritt 3 ist dann die Bauleitplanung.
Was ist in einer Woche zu leisten?
Fünf Teams, 900 ha Planungsgebiet, nicht einmal eine Woche Arbeitszeit, und das bei komplexen Voraussetzungen: ein hoher Grundwasserstand weil einst teils Moorgebiet, überlastete Verkehrsinfrastruktur, die trotz des Wachstums der Stadt nie ausgebaut wurde, so gut wie keine Radwege, überlasteter ÖPNV, Verlärmung durch die A99, die verkehrsreichste Autobahn Bayerns, dazu eine ökologisch hochwertige Kulturlandschaft, die Naherholungsgebiet für viele Münchner ist, eine regionale Landwirtschaft mit tüchtigen jungen Bauern, die weitermachen wollen auf den Höfen ihrer Väter, große Gartenbaubetriebe, der regionale Grünzug, Frischluftschneise für München … Was also soll in einer Woche rumkommen?
Schlau gemacht haben sich die Teams durch die Leistungsbeschreibung der Vergabe, dem Beschluss zur Ideenwerkstatt, den verschiedenen Gutachten und den Steckbriefen zu den sechs Teilräumen, die sie zudem in einer dreistündigen Radtour vor Ort in Augenschein nehmen konnten, um zu wissen, an welche Siedlungsstruktur sie anzuknüpfen haben. Dazu erhielten sie auch noch die Dokumentation mit den Anregungen aus der vorgeschalteten Dialog- und Beteiligungsphase …
Diese Teams sind am Start
Nr. 1: Team Adept mit Adept Aps aus Kopenhagen und Büro Happold aus Berlin
Wiewohl ein dänisches Team haben sie doch schon in München gearbeitet und etwa ein Handlungskonzept für Neuperlach erstellt. Sie sind an der Entwicklung des Tucherpark beteiligt und haben bei der Erweiterung der Siedlung Ludwigsfeld mitgemacht. An Inspiration von der Radtour haben sie nach eigenem Bekunden mitgenommen: die vielfältige Kleinteiligkeit, die dörflichen Strukturen und die Grünräume, die wie die Gärtnereibetriebe wertvoll seien und die man stärken wolle.
Nr. 2: Team Arge Echo mit Fugmann Janotta Partner Landschaftsarchitektur, Hoffmann-Leichter Ingenieurgesellschaft, beide aus Berlin, und Umbau Stadt, u. a. aus Berlin und Frankfurt.
Arge Echo habe schon viele Stadtentwicklungsprozesse begleitet und sich dabei von der Fragestellung leiten lassen, wie man heute noch in Maßen Stadt erweitern könne, zumal im gesellschaftlichen Konsens. Denn natürlich sei die große Zurückhaltung berechtigt, andererseits müsse der sozialen Spannung durch bezahlbaren Wohnraum begegnet werden.
Dabei setze die Landschaft den Rahmen.
An Inspiration von der Radtour haben sie nach eigenem Bekunden mitgenommen: die Weitläufigkeit der Landschaft, die alten Gartenbaubetriebe, so etwas wünsche man sich an den urbanen Stadträndern und habe einen großen Wert.
Nr. 3: Team Cityförster mit Argus Stadt und Verkehr, Hamburg, Cityförster Architekten aus Hannover und Freiwurf Landschaftsarchitekturen, ebenfalls Hannover.
Mitgemacht hat das Team in München etwa bei der Siedlungserweiterung in Ludwigsfeld.
An Inspiration von der Radtour haben sie nach eigenem Bekunden mitgenommen: dass der Raum sehr vielfältig und komplex sei, dass die Verkehrssituation z. T. heute nicht zufriedenstellend sei und dass man das mit einer Entwicklung zusammenbringen müsse. Man wolle den Raum nicht zu stark überformen und doch mutig denken, wie man im Jahr 2050 wohnen wolle.
Nr. 4: Team Nordcamp mit SHP Ingenieure, Hannover, Teleinternetcafe Architektur und Urbanismus, Berlin, sowie Urban Catalyst, ebenfalls Berlin.
Das Team beschäftigt sich mit Räumen in der Transformation und hat in München schon u. a. beim Kreativquartier, den Orleanshöfen und beim Mc Graw-Gelände mitgewirkt.
An Inspiration von der Radtour haben sie nach eigenem Bekunden mitgenommen: dass es gelte, Stadt und den ländlichen Raum zusammenzubringen, denn hier kämen unterschiedliche Perspektiven zusammen. Wo könne eigentlich nicht gebaut und wie bestehende Qualitäten weiterentwickelt werden.
Nr. 5: Das größte Team: Team Stadtlandakrobaten mit IBV Hüsler AG, Ing.-Büro für Verkehrsplanung aus Zürich, mit PAN M aus München, rheinflügel severin aus Düsseldorf und München, Studio Stadt Region, München, und Studio Vulkan Landschaftsarchitektur, München und Zürich.
Landschaft sei, wie man es insbesondere in den Niederlanden erlebe, doch etwas künstliches, siehe die drei Seen, entstanden durch Kiesentnahme. Dennoch habe die landschaftliche Qualität überrascht, die Seen, die Pappelallee. Das seien sehr wichtige Bausteine. Es gehe aber auch um die Nutzung der Landschaft.
Das erwarten sich die Stadträte
Kann in einer Woche etwas erarbeitet werden, das dann Jahrzehnte hält? Nein, meinte etwa Hans Theiss (CSU), die Ergebnisse seien gewiss nicht in Stein gemeißelt. Es brauche ein abgestuftes Konzept, denn fraglich sei doch, wie der ÖPNV noch funktionieren werde und wie das alles finanziell gestemmt werden könne. Anna Hanusch (Grüne), selbst Architektin, erhofft sich bildhafte Ideen als Entscheidungsgrundlage, wie die Bebauung dicht und doch in Anlehnung an Dorfqualitäten sein könne und die Erholungsräume für die ganze Stadt erlebbar gemacht werden könnten.
Stadtbaurätin Merk erhofft sich große Zusammenhänge, dass man die Wünsche und Nöte der Bevölkerung sehe, aber die Thematik doch gesamtstädtisch betrachte und was eine Bebauung für Natur, Klima und Verkehr gesamtstädtisch bedeute. Wenn man heute baue, müsse das verantwortungsvoll getan werden, daher betrachte man größere Zusammenhänge. Und Professor Hierl hofft auf einen Dialog, den die Stadt gut gebrauchen könnte, auf eine übergeordnete Setzung, eine starke Idee, eine Programmatik.