Am Mittwoch, den 19. März stellte die Stadt in einer öffentlichen Informationsveranstaltung in der Schulaula der BOS/FOS an der Nordhaide die „Visionen für den Münchner Norden aus der Ideenwerkstatt“ der interessierten Öffentlichkeit vor. Erneut demonstrierten viele Mitbürger lautstark gegen die geplante SEM. Das Bündnis München-Nord hat ihr dazu nun einen „Offenen Brief“ geschrieben.
In der Veranstaltung verwies Bacherl auf den hohen Arbeitsaufwand im Zuge der SEM-Planungen, wiewohl selbstinitiiert und eben nicht auf dem ausdrücklichen Bürgerwillen basierend. Von dem hohen finanziellen Aufwand mit Steuergeldern für Visionen (ohne klare Zielvorgabe bezüglich Bebauungsdichte oder Einwohner) ganz zu schweigen. Dennoch war aus Sicht von Stadtbaurätin Elisabeth Merk die Ideenwerkstatt ein erfolgreiches Format, auf höchstem Niveau und transparent für alle. „Es war ein sehr direkter, sehr offener und sehr ehrlicher Dialog. Und das ist gut angekommen. Wobei sich allein durch das neuartige Konzept – die Ideenwerkstatt war die münchenweit erste ihrer Art – die Konflikte rund um die SEM-Nord natürlich nicht in Luft auflösen“.
Bürgerbeteiligung anhand physischer Präsenz
Nach Schätzung von mehreren Teilnehmern haben sich tatsächlich nur wenige Bürger (exklusiv Stadtangestellte) an den verschiedenen Veranstanstaltungen der Ideenwerkstatt beteiligt. So waren bei der Auftakt- und Abschlussveranstaltung nur 50 bis 100 Personen anwesend (von ca. 1,6 Millionen Einwohnern!).
Hierzu kommt, dass es sich bei den Veranstaltungen immer um dieselben Personen gehandelt haben dürfte. Somit ist die vom Planungsreferat kommunizierte Anzahl von 1.000 Besuchern irreführend, ganz im Gegensatz zu den zahlenmäßig belegten 1.000 Demonstranten gegen die SEM im Rahmen der Bürgerversammlung des 24. Stadtbezirks am 20.11.2024.
Bei den laut Planungsreferat „hochkarätig“ und international besetzten Planungsteams handelte es sich um größtenteils ortsunkundige Personen, denen man in einer nächtlichen Busfahrt das Planungsgebiet näherbringen wollte. Diese Vorgehensweise mit Safari-Tour durch den wilden Münchner Norden ist aus unserer Sicht an Absurdität nicht zu überbieten.
Bündnis München-Nord lehnt Ergebnisse der Ideenwerkstatt ab
Begründet wird die Ablehnung wie folgt: Das Bündnis München-Nord konnte seine Forderungen nicht einbringen. Damit wurden die Interessen der Bevölkerung vor Ort völlig ignoriert. Ohne die Beteiligung der betroffenen Bürger wird über deren Zukunft bestimmt und entschieden.
Im Rahmen der einwöchigen Ideenwerkstatt hatte das Bündnis München Nord genau 5 min. Zeit, seine Anliegen vorzubringen. Diese Vorgehensweise ist inakzeptabel und widerspricht demokratischen Gepflogenheiten.
Außerdem hätten vor der Ideenwerkstatt grundsätzliche Punkte geklärt werden müssen: Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe; die Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer; Sicherung von zukunftsfähiger Landwirtschaft und Gartenbau zur regionalen Versorgung; Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten; Natur- und Umweltschutz; Erholungsgebiete und Grünflächen; hydrogeologische Voraussetzungen; Stadtklima und regionaler Grünzug; Verkehrsplanungen.
Vorab-Klärung von möglicherweise zu bebauenden Gebieten
Laut einem Gutachten des Bunds Naturschutz und Landesbunds für Vogelschutz sind fünf der sechs von der Stadt ausgewiesenen Flächen ungeeignet für eine Bebauung. Dem Natur- und Umweltschutz muss hier Vorrang eingeräumt werden.
Auch sind die hydrogeologischen Besonderheiten dieses Gebietes sind zu beachten. Die vorliegenden Gutachten sind nur vorläufig und berücksichtigen die Auswirkungen auf bereits bebaute Gebiete nur unzureichend. Auch die zunehmenden Starkregenereignisse werden nicht ausreichend abgebildet. Die Grundwasserstände sind sehr hoch und nach starken Regenfällen kann das Grundwasser sogar über die Geländeoberkante steigen. Das Versickern von Niederschlägen wird u. a. durch das hoch anstehende Grundwasser verhindert.
Im westlichen Stadtgebiet, vor allem in Feldmoching und in der Fasanerie, führt Starkregen mit Grundwasserhochständen in Hunderten von Fällen zu eindringendem Wasser in Häuser.
Hierzu lautet der Beschluss des Ausschusses für Klima-und Umweltschutz vom 18.3.2025: „… Zusammenfassend zielen die genannten gesetzlichen Vorgaben auf den Schutz des Grundwassers und nicht auf den Schutz vor Grundwasser ab. Drückendes Grundwasser ist als ‚höhere Gewalt‘ einzustufen. Der Schutz vor Schäden durch Grundwasser liegt demnach in der Eigenverantwortung der jeweiligen Immobilienbesitzer. Es obliegt also den Eigentümern, dafür Sorge zu tragen, dass ihre jeweiligen Gebäude gegen drückendes Grundwasser ausreichend abgedichtet sind.“
„Das Referat für Klima und Umweltschutz wird beauftragt, weiterhin im Rahmen der wasserrechtlichen Verfahren sowie der Bauleitplanung darauf hinzuwirken, Eingriffe ins Grundwasser durch Bautätigkeit zu minimieren“. Bedeutet dies etwa, dass durch eine von der Stadt geplante Bebauung mit in der Folge überbordenden Grundwasserständen als „höhere Gewalt“ anzusehen ist?
Bei seinerzeit baurechtlich genehmigten Bestandsbauten muss dieser Einschätzung klar widersprochen werden. Dem Grunde nach besteht hier eine schutzwürdige Position, somit bestehen Abwehrrechte gegenüber Aufstau und Umleitung von Grundwasser aus dem wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot (siehe auch Bay. Verwaltungsgerichthof, AZ 8 CS 21.2166 vom 09.11.2021). Fazit: Planungen in den vorgesehenen Gebieten sind daher zu unterlassen, denn sie schädigen im Bebauungsfall auch die umliegenden Bestandsgebäude.
Der Münchener Norden verfügt über großflächige Kaltluftentstehungsgebiete und wichtige Austauschbereiche für Kaltluft. Diese sind im Hinblick auf die Klimaerwärmung unbedingt zu erhalten. Der regionale Grünzug muss in der heutigen Form erhalten bleiben.
Das Verkehrs-Gutachten der Firma Inovaplan geht von der Höhenfreimachung der drei Bahnübergänge im Planungsgebiet sowie einem Autobahnanschluss an die A99 aus. Darüberhinaus beinhalten die Planungen den Ausbau von U-/S-Bahn oder Tram. Alles Visionen, die in überschaubaren Zeiträumen nicht realisierbar sind. Hierzu sei als Beispiel auf das Neubaugebiet Freiham verwiesen, dessen verkehrliche Anbindung nach mehr als 42 Jahren der Planungen bis heute völlig ungeklärt ist. Weder ist die U5-Anbindung finanziert noch terminiert, die Tram-Anbindung gilt als unwahrscheinlich und der viergleisige Ausbau der S-Bahn ist nicht vorhersehbar. Zudem ist die Anzahl der Gesamtwohnungen stark gestiegen. Alle Planungen müssen auf der derzeitig vorhandenen und schon jetzt überlasteten Infrastruktur aufsetzen. Eine weitere Bebauung setzt voraus, dass ein umfassendes Infrastrukturkonzept erstellt und dessen Finanzierung gesichert sein muss.
Äußerst bedenklich hält es das Bündnis München Nord zudem, wenn nationale und internationale Planungsteam innerhalb einer Woche derartig folgenreiche Entwicklungen andenken sollen, ohne über stadtbezirksbezogene, münchenweite oder umlandspezifische Kenntnisse zu verfügen. Einen neuen Stadtteil zu planen ist ohne Hintergrundwissen nicht möglich! Bauen am Stadtrand ist nicht nur aus ökologischen Gründen (Frischluft, Abkühlung), sondern auch aus ökonomischen Gründen grundsätzlich abzulehnen, denn während man bei der Innenstadtverdichtung die bereits vorhandene Infrastruktur wie Kitas, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, Ärztehäuser, Pflegeeinrichtungen usw., aber auch Straßen, Radwege und ÖPNV mitnutzen kann, müssen diese bei der Ausweisung von Baugebieten am Stadtrand erst neu gebaut werden. Ebenso Anschlüsse an die Kanalisation, das Wasser-, Wärme- und Stromnetz.
Als einzige Alternative zur SEM erwähnen Sie die „Briefmarkenbebauung“, das sukzessive Ausweisen kleinerer Baugebiete. Sie ignorieren völlig den Bürgerwillen, vorgebracht vom Vorsitzenden des BA 24 und dokumentiert durch zahlreiche Abstimmungen bei Bürgerversammlungen, in diesem sensiblen SEM-Gebiet keine weiteren Baugebiete auszuweisen.
Auch das Argument, wonach „Bürger, die in München eine Wohnung suchen, nicht hier sind“, kann man nicht gelten lassen, denn die Versammlung war öffentlich und bekannt. Dennoch war das Bürgerinteresse an der Ideenwerkstatt äußerst gering. Im Übrigen wurde von Herrn Bacherl bei dieser Veranstaltung bestätigt, dass die akute Wohnungsnot durch die bereits bestehenden und in Planung befindlichen Bauprojekte abgedeckt ist. Es geht bei der SEM nur um den weit in die Zukunft projizierten Wohnungsbedarf von Neubürgern, also ein gewolltes Stadtwachstum!
Das fordert das Bündnis
Den Erhalt von Grünflächen und Äckern; Versorgungssicherheit durch landwirtschaftliche Produkte „von hier“ mit kurzen Lieferwegen; Berücksichtigung der Gutachten von Bund Naturschutz und Landesbund für Vogelschutz, denen zufolge nur ca. 5 % der Planungsfläche bebaut werden können; Erhalt der Frischluftschneisen und der Kaltluftentstehungsgebiete für ein gesundes Stadtklima; Sicherung der Naherholungsgebiete für alle Münchner; nur noch moderate Bebauung, die sich in das Ortsbild einfügt und den 24. Stadtbezirk mit seinen Traditionen leben lässt; den weitestgehenden Ausschluss von Flächen mit großer Hochwassergefährdung als Siedlungsflächen. Bündnis München-Nord