Das „DP-Lager Schleißheim“, wie das Barackenlager auf Feldmochinger Gemeindegebiet nach dem 2. Weltkrieg hieß, wurde bereits 1939 bis 1941 gebaut und beherbergte in der Nazizeit die „Fliegertechnische Schule“ (FTS) im Luftgaukommando 3. Denn der Flughafen Schleißheim, 1912 errichtet, war trotz der im Versailler Vertrag 1919 festgeschriebenen Restriktionen hinsichtlich der Wiederaufrüstung Deutschlands von 1925 bis 1945 das Zentrum der deutschen (Jagd-)Fliegerausbildung.
Von Juni 1925 bis September 1933 wurden deutsche Jagdflieger zunächst illegal auf der „Geheimen Fliegerschule und Erprobungsstätte der Reichswehr“ in Lipezk (UdSSR) ausgebildet, so steht es im Begleitheft zur Ausstellung. Im innerdeutschen Sprachgebrauch hieß diese Ausbildungsstätte „Schule Stahr“, nach ihrem Leiter, Hauptmann a. D. Walter Stahr. Dieser ferne Ort in der UdSSR passte den kriegslüsternen Nazis ab 1933 nicht mehr. Sie wollten das Bodenpersonal für eine künftige Deutsche Luftwaffe im eigenen Land ausbilden. Bis zu diesem Zeitpunkt besaßen lediglich die Deutsche Lufthansa und die am 1. April 1925 gegründete Deutsche Verkehrsfliegerschule (DVS) ausreichend geschultes technisches Personal.
Die DVS war eine Tarnorganisation, denn laut Versailler Vertrag war Deutschland die Militärluftfahrt verboten. Finanziert wurde sie über geheime Kanäle von der deutschen Regierung, der Reichsmarine und der Reichswehr. Nach 1933 ging die DVS wie alle anderen getarnten Militärluftfahrteinrichtungen in die Zuständigkeit des Reichsluftfahrtministeriums über und wurde nach der offiziellen Gründung der Luftwaffe am 1. März 1935 in diese eingegliedert.
Schleißheim wurde ab 1935 zum Zentrum der Jagdfliegerausbildung
Bereits im Herbst 1933 begann man in Schleißheim mit dem Ausbau des Flugplatzes, den das Deutsche Reich mit Vertrag vom 1. November 1933 vom Land Bayern übernommen hatte. Die Schleißheimer Str., die bis dahin ihrem Namen gerecht wurde und bis nach Schleißheim ging, wurde am 15. Oktober 1933 auf Höhe Herbergstr. – die Straße führte damals noch übers Hasenbergl und mündete in die Schleißheimer Str. – gesperrt. Ab sofort konnte man Schleißheim nur noch über die Bezirksstraße 2 (die heutige Feldmochinger Str.) erreichen – wo „das Stehenbleiben und Anhalten auf der Straße für Fahrzeuge jeglicher Art“ bereits ab dem 20. September 1933 verboten war. So wollte man wohl sicherstellen, dass „unerwünschte ausländische Elemente“ von den Aktivitäten am Flugplatz nichts mitbekamen. Überhaupt wurde das gesamte Flughafenareal zum militärischen Sperrgebiet erklärt.
Zeitgleich mit der Sperrung der Schleißheimer Str. begann man, im südlichen Teil des Flugplatzes die „Junkersflugzeughallen“ sowie Werkstätten und Tanklager zu errichten. Die waren innerhalb weniger Wochen fertig. Damit konnte der Ausbildungsbetrieb im Rahmen des „Deutschen Luftsportverbandes“ – einer weiteren Tarnorganisation – losgehen. 30 Flugzeuge und zwei Fluglehrer standen bereit.
Die Jagdfliegerschule Schleißheim wurde am 1. April 1934 gegründet Man forcierte schon bald, wie Klaus Mai erforscht hat, die Jagdfliegerausbildung und errichtete 1934 zwei weitere Landebahnen bei Eching und Dietersheim. Zudem erweiterte man den Ausbildungsbetrieb auf dem Oberwiesenfeld.
Die berühmtberüchtigte „Legion Condor“, die ab 1936 im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten Francos kämpfte und die für die Bombardierung und Zerstörung Guernicas 1937 verantwortlich war, hatte ihre fliegerische Ausbildung fast ausschließlich in Schleißheim erhalten, so ist in der Ausstellung zu erfahren. Bis zum Beginn des 2. Weltkriegs wurden in Schleißheim jährlich bis zu 800 Piloten ausgebildet.
Wie Oberschleißheim zur Nachtjagdschule 1 wurde
Auch das Auf und Ab der Jagdfliegerschule Schleißheim hat Klaus Mai minutiös recherchiert: So wurden die Jagflieger zur Besetzung des Rheinlandes 1936 abgezogen, in Schleißheim verblieb damals lediglich eine Anfänger- und Fortgeschrittenenschulung. Die Jagdfliegerschule kehrte erst im Frühjahr 1939 zurück. Nun begann man, die „Fliegertechnische Schule 3“ aufzubauen und intensivierte die Ausbildung mit Kriegsbeginn. So wurde aus Platzgründen die 2. Schulstaffel im Dezember 1939 nach Bad Aibling verlegt, kehrte im Jahr darauf jedoch wieder nach Schleißheim zurück. Dafür zog im April 1940 die 3. Staffel nach Neubiberg um. Nachdem die Alliierten begannen, die Städte auch nachts anzugreifen, mussten sich die Flieger auch mit der Nachtjagd auseinandersetzen. Ab Mai 1942 war in Schleißheim offiziell die Nachtjagdschule 1 situiert. Einige andere Staffeln wurden dafür an andere Standorte verlegt. Wegen der zunehmenden Angriffe vor allem der Briten trat der Schulungsbetrieb weitgehend in den Hintergrund, die jungen Piloten wurden gleich in den Einsatz geschickt. Im März 1943 wurde die Schule dann in Nachtjagdgeschwader (NJG) 101 umbenannt, ehe es im September 1943 in das in Schleißheim neu aufgestellte NJG 6 aufging. Teile dieses Geschwaders blieben bis zum 27. April 1945 in Schleißheim. Am 29. April übergab Kommandant Oberst Schröder den Flugplatz kampflos an die Amerikaner.
Die Fliegertechnische Schule war in 80 Baracken untergebracht
Keine Flieger in der Luft ohne gut ausgebildetes Personal am Boden. Um die Einsatzbereitschaft der Flotte zu sichern, entwickelte das Reichsluftfahrtministerium ab 1937 das Konzept der „Fliegertechnischen Schulen“ (FTS). Doch noch bis Sommer 1939 erfolgte die flugtechnische Ausbildung des Bodenpersonals dezentral: So wurden in Süddeutschland bis dahin 1.245 Mann an sieben Standorten ausgebildet, 259 davon am Oberwiesenfeld. Erst im Sommer 1939 begann man, am südlichen Waldrand des Flugplatzes Schleißheim, gut in Deckung und etwas vom Fliegerhorst entfernt, Baracken für eine neue Fliegertechnische Schule zu errichten. Der Bau war im September 1940 abgeschlossen. Bis dahin waren alle Ausbildungslehrgänge samt Lehrmaterial, Lehrpersonal und Schüler am Oberwiesenfeld und in der Flakkaserne an der Heidemannstr. zusammen gezogen worden. Die FTS München umfasste im Winter 1939/40, so hat es Mai recherchiert, rund 6.500 Mann. Bis Ende 1942/43 waren alle Abteilungen nach Schleißheim übersiedelt. Die Zahlen dort schwankten in der Folge zwischen 2.500 und 4.000 Schüler. Ab November 1944 wurden auch rund 800 Frauen des Jahrgangs 1921 zu Flugzeugschlosserinnen oder -elektrikerinnen ausgebildet. Schon zuvor schulte man in Schleißheim das fliegertechnische Personal „befreundeter Mächte“, etwa aus Bulgarien, Rumänien und Kroatien. Die FTS Schleißheim war auf Jagd- und Schleppflugzeuge spezialisiert, ab Ende 1944 auch auf Düsenantriebe und Turbinen. Gelernt wurde an den Modellen Me 109, ME 110, Ju 87, 88 und Me 262. Auch die Wehrindustrie – Messerschmitt, Dornier, Bachmann und Blumenthal, Heinkel und BMW – veranstalteten Einweisungslehrgänge. Und die Schulung in Sachen Wartung wurde auf dem Flugplatz Oberwiesenfeld durchgeführt. In den rund 80 Baracken im Wald waren nicht nur die Unterkünfte für Schüler und Lehrpersonal, sondern auch die Küche, das Essenskasino, Bekleidungsräume, Waffenkammern, Hörsäle sowie die Schulleitung untergebracht.
Heil- und Gewürzkräuter zur Autarkie Deutschlands
Im Umfeld des Flugplatzes siedelten sich in der Folge noch andere Einrichtungen an, die nicht direkt damit zu tun hatten, die Klaus Mai im Rahmen der Ausstellung aber miterforscht hat: So entstand ab 1934 in 3 km nordöstlicher Richtung am Schleißheimer Kanal im heutigen Stadtteil Hochbrück das „SS-Hilfswerkelager“. Es gehörte zum „NSDAP-Hilfswerk für Flüchtlinge und Hinterbliebene“ und hieß später im Volksmund „SS-Berufsschule“. Die Nazis boten dort beispielsweise 250 österreichischen SA- und SS-Mitgliedern nach dem Mord an Österreichs Bundeskanzler Dollfuß Unterschlupf und eine Umschulung an, um sie in die deutsche SS zu integrieren oder in einen Zivilberuf zu entlassen. Als „Schulungszentrum“ diente ein Haus neben den Stein- und Holzbaracken, das im Volksmund „Himmlerhof“ hieß, noch heute an der Ingolstädter Landstr. 2 steht und die Pension Lankes beheimatet. Der ein oder andere wird gewiss daran schon einmal vorbeifahren oder geradelt sein.
Zwischen Juni 1937 und Juli 1938 wurde an der „Schule“ auf Anweisung Himmlers versuchsweise eine Plantage mit Heilkräutern aufgebaut, um wie in anderen Bereichen der Landwirtschaft die Autarkie Deutschlands zu stärken und das Reich von Importen aus dem Ausland unabhängig zu machen. Angebaut haben die Heil- und Gewürzkräuter KZ-Häftlinge aus Dachau. Der „Kräutergarten“ wurde ein Vorzeigebetrieb der „Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung (DVA).
Nachdem man im Laufe des Jahres 1938 die Kräutergärten von Schleißheim nach Dachau verlegt hatte, fand man im SS-Hilfswerkelager mit der Umschulung invalider SS-Anhänger in kaufmännische Berufe ein neues Betätigungsfeld.
Wo FJ Strauß Reichsarbeitsdienst tat & Ratzinger Flakhelfer war
In Garching-Hochbrück gab es seit 1934 auch zwei Reichsarbeitsdienstlager, so ist auf einer weiteren Tafel zu erfahren. Sie hießen „R.A.D. Abteilung 2/301 Oberst List“ und „R.A.D. Abteilung 2/302“. Denn ab dem 1. Juli 1935 mussten alle jungen Männer, ehe sie zum Wehrdienst eingezogen wurden, einen sechsmonatigen Arbeitsdienst ableisten. Und das tat im Jahr 1935 dort auch der spätere Ministerpräsident von Bayern, Franz-Josef Strauß, wie ein Foto belegt. Apropos berühmte Persönlichkeiten: In der Einleitung zum Begleitheft erfährt man, dass Josef Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI. als Flakhelfer in der Hitlerjugend nahe dem KZ-Außenlager Dachau-Allach, der heutigen Siedlung Ludwigsfeld, arbeitete.
Es gäbe noch viel zu berichten, etwa über das Kriegsgefangenenlager im südlichen Bereich des Schleißheimer Flughafens, über den Widerstand der dort untergebrachten Kriegsgefangenen, meist höhere russische Offiziere, über französische Kriegsgefangene in Feldmoching, über den Kampf auf der Panzerwiese am 30. April 1945, wo SS-Einheiten den vorrückenden Amerikanern erbitterten Widerstand leisteten – gegen 15 Uhr ergaben sich die letzten Verteidiger Münchens, eine Stunde später übergab Dr. Meister, damals der ranghöchste Beamte Münchens, die Stadt an die US-Army –, über den Neubeginn in Schleißheim, wo nach Schließung des Flugbetriebs die Hangars einige Zeit von der A.J.D.C. genutzt wurden, dem American Jewish Joint Distribution Commitee, einer Hilfsorganisation, die entwurzelte Juden vor allem aus Osteuropa materiell unterstützte. Berichten könnte man auch über die Geschichte der drei großen DP-Lager im Münchner Norden oder über die jüdische Gemeinde, die von 1945 bis 1951 in Feldmoching existierte. Damals versuchten einige streng religiöse Juden, an der Hauptstr. 8, heute Feldmochinger Str. 386, wo der „Croatia-Grill“ untergebracht ist, ein jüdisches Gemeindezentrum mit Thora-Schule und koscherer Küche zu errichten. Es gab sogar einen jüdischen Fußballverein, den „Makabi Feldmoching“. Doch wir wollen nicht alles Spannende verraten, sondern Sie zu einem persönlichen Besuch der Ausstellung animieren! rer
Die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem Kulturhistorischen Verein, den Vereinen Gegen Vergessen – Für Demokratie, Kulturgemeinschaft Ludwigsfeld (Kugel) und Freunde Schleißheim entstand, ist bis zum 10. Januar 2014 im 2. Stock des Kulturzentrums 2411 (Blodigstr. 4) zu besichtigen. Am 27. November sowie am 4. und 11. Dezember führt Ausstellungsmacher Klaus Mai von 18 bis 19.30 Uhr durch die Ausstellung. Die Führungen sind kostenlos, um eine Anmeldung unter Tel. 3 18 11 53 18 wird gebeten (Kursnummer CN 1116 E, CN 1117 E und CN 1118 E). Die Ausstellung ist montags bis freitags von 10 bis 20 Uhr sowie an Wochenenden bei Veranstaltungsbetrieb zu besichtigen.
Die Fotos (mit Ausnahme des letzten) sind dem knapp 100-seitigen farbigen Begleitheft zur Ausstellung entnommen. Es kostet 7,50 Euro und ist beim Kulturhistorischen Verein Feldmoching auf dem Gfild sowie bei den Führungen erhältlich.