
Wann exakt der erste Lokal-Anzeiger erschien, konnten wir nicht mehr ermitteln – die erste Ausgabe ist weder im Staatsarchiv, noch beim Kulturhistorischen Verein noch bei den herausgebenden Verlagen erhalten.
Volker D. Laturell schreibt in seinem Buch „Feldmoching – Hasenbergl“, der Lokal-Anzeiger sei erstmals am 15. Juni herausgekommen. Vieles spricht jedoch dafür, dass die erste Ausgabe ein paar Tage später in den Briefkästen der Leser lag. Denn: Im Manuskript von Josef Schmidhuber („Blätter zur Geschichte der Pfarrei und der Gemeinde Feldmoching“, Band 4) findet sich die Kopie der zweiten Ausgabe, und die trägt das Erscheinungsdatum 3. Juli. Vierzehn Tage zurück hieße – das Geburtstagskind hätte sich am 19. Juni erstmals den Lesern präsentiert. Da allerdings die fünfte Ausgabe, die wir gleichfalls beim Kulturhistorischen Verein im Schmidhuberschen Konvolut aufstöberten, schon wieder fünf Tage später herauskam als rein rechnerisch nach dem 14tägigen Rhythmus, hatte die Redaktion offensichtlich mit anfänglichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Wann die erste Ausgabe das Licht der Welt erblickte, ist also nicht mit Bestimmtheit zu sagen – Mitte Juni hat der Lokal-Anzeiger jedenfalls Geburtstag.
Berichte vom und für den 24. Stadtbezirk
Gefeiert hat der Verlag sein „Kind“ noch nie, lediglich 1969 (!) (Ausgabe Nr. 18 vom 29. August, Seite 3: „20 Jahre Lokal-Anzeiger“) und 2000 (Ausgabe 16 vom 4. August 2000, hier zumindest auf der Titelseite) war dem Herausgeber und Redakteur Carl Tins dieses Ereignis eine Seite Wert. Ansonsten machte die Redaktion nicht viel Aufhebens von sich („Wir wollen unser ‚Blattl’ nicht wichtiger nehmen als es ist.“), sondern informierte die Leserschaft lieber über Neuigkeiten, Ereignisse, Vereinsjubiläen…, in denen andere im Mittelpunkt standen.
Doch der Verlag kann stolz darauf sein, sein „Blattl“ trotz übermächtiger, finanzstarker Konkurrenz, die täglich oder zumindest wöchentlich Aktuelles berichtet, durch die Zeit gebracht zu haben.
Der Lokal-Anzeiger wollte und will die Bewohner des 24. (früher 33.) Stadtbezirks mit Informationen aus ihren Vierteln versorgen. Geschehnisse aus Feldmoching, der Fasanerie, Lerchenau, Harthof und Ludwigsfeld, später auch vom Hasenbergl, der Siedlung am Lerchenauer See und am Feldmochinger Anger stehen nach wie vor im Mittelpunkt der Berichterstattung. Heute sogar mehr als früher, wo man sich durchaus erlaubte, einen Fortsetzungsroman wie „Morgen soll die Hochzeit sein“ (1953), „Das Geheimnis der alten Mamsell“ (1953), „Die Tat des Georg Babel“ (1958) oder „Das Geheimnis des roten Turmes“ (1960) zu veröffentlichen.
Die großen, überregionalen Tageszeitungen, auf der Jagd nach Themen, die ein breites Publikum ansprechen, haben sich heute mehr und mehr aus der lokalen Berichterstattung zurückgezogen: Die „Süddeutsche Zeitung“ greift auf der Seite „Aus den Stadtvierteln“ im Münchner Teil immerhin ab und an in einem längeren Beitrag ein Thema aus den nördlichen Gefilden der Landeshauptstadt auf. Und in kleinen Häppchen druckt sie, wenn auch oft mit großer zeitlicher Verzögerung, Berichte zu den Sitzungen des Bezirksausschusses 24.
Der „Münchner Merkur“ dagegen hat schon seit geraumer Zeit keinen festen Journalisten für dieses Stadtgebiet mehr. Folge: Hier erscheint nur selten ein Bericht über den 24. Stadtbezirk, und wenn, dann zeugt er meist nicht von großer Orts- und Sachkenntnis.
Bleiben als Informationsquelle die wöchentlichen, kostenlosen Anzeigenblätter. Bei diesen Postillen werden oft lediglich irgendwelche Pressemitteilungen, unverändert und nicht hinterfragt, zwischen den Inseraten eingestreut, um deren Attraktivität zu erhöhen. Ein journalistischer Anspruch ist nicht zu erkennen. Der Lokal-Anzeiger dagegen hat einen ausführlichen Textteil, verfasst von Journalisten, die sich in der Themenauswahl bewusst auf den 24. Stadtbezirk konzentrieren. Das ist die Stärke des Lokal-Anzeigers.

Ohne Bezirksausschuss kein Lokal-Anzeiger
Angefangen hat alles damit, dass eine Familie Gugath, wie so viele Menschen im Osten, ihre Heimatstadt Asch an der äußersten Spitze Nordwestböhmens nach dem Ende des 2. Weltkriegs verlassen musste. Die Gugaths besaßen dort für die damalige Zeit eine sehr große Druckerei samt Verlag mit über 100 Angestellten – einer von ihnen, Dr. Benno Tins, war der Chefredakteur der „Ascher Zeitung“.
Die Gugaths landeten nach der Vertreibung in Feldmoching – warum gerade da, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Hier, genauer gesagt an der damaligen Äußeren Feldmochinger Str. 128 (der Teil der Feldmochinger Str. südlich des Altdorfs), tat die Familie das, was sie immer getan hat. Sie gründete eine Druckerei und druckte. Sohn Rolf, damals ein junger Bursch, war das nicht genug. Er wollte mehr von seiner neuen Heimat wissen, er wollte wissen, was sich dort (politisch) tat. Deshalb besuchte er fleißig die öffentlichen Sitzungen des 33. Bezirksausschusses. Der tagte damals zum Teil noch alle 14 Tage, vor allem in einem Nebenzimmer des Gasthauses Kaiser. Zudem gab es außerordentliche BA-Sitzungen – so kurz nach dem Krieg waren allerorten Probleme beiseite zu räumen.
Rolf Gugath machte sich nicht nur Notizen bei den BA-Sitzungen, sondern auch Gedanken, wie er diese interessanten Infos unters Volk bringen konnte, und hob den Lokal-Anzeiger mit dem Untertitel „Feldmoching ● Lerchenau ● Harthof ● Fasanerie-Nord ● Ludwigsfeld“ aus der Taufe. Und so war viele Jahre lang die Berichterstattung über die Sitzungen des Bezirksausschusses das Rückgrat des Lokal-Anzeigers. 1954 etwa – dieser Jahrgang des Lokal-Anzeiger ist komplett erhalten – machte die Redaktion bei 22 von 27 Ausgaben die Seite 1 mit dem Geschehen im Bezirksausschuss auf. Das blieb bis weit in die 60iger Jahre hinein. Allerdings wechselte dann schon der BA-Bericht mit anderen aktuellen Themen, denn nun tagte der BA ja nur noch einmal im Monat. Und natürlich zählen auch heute noch die Sitzungen des Bezirksausschusses zu den Pflichtterminen der Redaktion, so dass der Leser in keinem anderen Blatt mehr über das Geschehen vor Ort erfährt. Das lässt allerdings auch den Umkehrschluss zu: Ohne Bezirkausschuss gäbe es wohl keinen Lokal-Anzeiger.
Der Lokal-Anzeiger war übrigens nicht die einzige Zeitung aus dem „Verlag Gugath & Sohn“. Bereits im Juni 1948 war dort der erste „Ascher Rundbrief“ erschienen. Ilse Tins, die Mutter von Benno Tins, hatte sich die Mühe gemacht und die Adressen vieler Vertriebenen ermittelt, die mit dem „Ascher Rundbrief“ bis heute ein Forum für ihre alte Heimatverbundenheit haben.
Wilhelm Dreer: Er formte den Lokal-Anzeiger
Wer in den Anfangsjahren noch Artikel schrieb, lässt sich heute nicht mehr recht ermitteln, die Beiträge sind zum allergrößten Teil nicht namentlich gekennzeichnet, seltenst tauchen Kürzel wie „W. D.“ oder Namen wie „G. Heerdegen“, „Grandy“ oder „R. Rucker“ auf. Im Impressum heißt es schlicht: „Verantwortlich für den Textteil: Rolf Gugath, für den Anzeigenteil: Reklame-Dreer“, München 2, Nymphenburger Str. 139.“ Ab wann W. D., sprich Wilhelm Dreer sich nicht nur um den Anzeigenteil kümmerte, sondern auch Artikel verfassen, lässt sich aufgrund der bruchstückhaft erhaltenen Jahrgänge nicht mehr ermitteln. Als Anfang 1957 Benno Tins von den Gugaths neben einer Setzmaschine den Verlag samt Lokal-Anzeiger und Ascher Rundbrief übernahm (mit Ausgabe 2 änderte sich das Impressum, und nicht erst ab dem 1. Juni 1957!), war der quirlige Mann bereits da. Er bot dem neuen Verleger, der als ehemaliger Ascher vom 33. Stadtbezirk anfangs ebenso wenig kannte wie seine beiden Söhne Carl und Konrad, seine Dienste an.
Den Gugaths waren die Geschäftsräume in Feldmoching zu eng geworden, sie waren samt Druckerei nach Kleinhadern gezogen, wo die Druckerei noch heute existiert.
Zurück zum Lokal-Anzeiger und zu Wilhelm Dreer. Wo etwas los war, er war schon da. Er besaß exzellente Verbindungen, wusste um Hintergründe und Strukturen. Er blieb, trotz des Inhaberwechseln, der „Blattmacher“. Er prägte die journalistische Form des Lokal-Anzeigers, der anfänglich ein Inserentenblatt gewesen war. Er brachte unter der Rubrik „Lokalspiegel“ Firmen-, Polizei- und Vereinsnachrichten. Er keierte das „Sport-Mosaik“ und den „Filmspiegel“ mit dem wöchentlichen Programm der drei ortsansässigen Kinos – des Prinzess-Theaters und der Sonnen-Lichtspiele in Feldmoching sowie des Filmtheaters in der Lerchenau. In größeren Artikeln griff Dreer zudem aktuelle Themen auf: „Protest gegen Landfahrer-Wohnwagen“ (5/1957), die Bus- und Tramverbindung des Stadtbezirks zur Innenstadt (25/1957), die „Elendsquartiere im 33. Stadtbezirk“ wie das Wohnlager am Pulverturm (1/1958)…
Anfang der 60er Jahre wurden die Fortsetzungsromane kürzer, der Nachrichtenteil wuchs auf im Schnitt vier Seiten. Dreer schrieb und schrieb. Damals gab’s noch so gut wie keine Bebilderung, keine Zwischenüberschriften, bei denen der Leser sich hätte ausruhen können. Bleiwüste hin oder her – Dreer wollte alle Infos ins Blatt bekommen. Bis zum 12. November 1968. In dieser Nacht fuhren er und seine Ehefrau Erika in der Nähe von Nürnberg mit dem Auto auf einen unbeleuchtet am Straßenrand stehenden Lastwagen auf. Sie waren auf der Stelle tot.
Carl Tins: Er prägte den Lokal-Anzeiger über 30 Jahre
In der Redaktion – die „Druckerei Dr. Benno Tins“ war im Herbst 1964 in ein neues Gebäude an der Grashofstr. 9 (heute 11) gezogen – herrschte Bestürzung, Trauer, Ratlosigkeit. Carl Tins, der ältere der beiden Tins-Söhne übernahm die Aufgabe, den Lokal-Anzeiger zu schreiben. Vorübergehend, wie er meinte, bis man Ersatz fand. Fand sich aber nie. Und so schrieb, redigierte und layoutete Carl Tins bis zu seinem Tod am 27. September 2002, obwohl er längst das Alter erreicht hatte, in denen andere den Ruhestand genossen, den Lokal-Anzeiger, besuchte Veranstaltungen, Versammlungen, Feiern, Konzerte, Fußballspiele…Selbst schwerkrank vom Krankenbett aus verbesserte er noch den Umbruch von Ausgabe 19 – seiner letzten. Seine Kinder Alex und Sabine erlebten den Vater stets schreibend, immer auf Achse – in den über 30 Jahren, in denen er den Lokal-Anzeiger schrieb und prägte, hat er keine einzige Sitzung des Bezirksausschusses versäumt! Der „Dorfschreiberling“, wie er sich selbst gerne nannte, schrieb für mehr als 800 Ausgaben über die Ereignisse in den Pfarreien, über Vereinsaktivitäten, kulturelle und sportliche Höhepunkte. Er schrieb über Wahlen, Volksfeste, Trauerfeiern, Jubiläen, Katastrophen, Unfälle, Mord und Totschlag – was sich eben in all den Jahren so zu zutrug oder was es zu kritisieren gab. Unterstützt hat ihn in dieser Zeit Volker D. Laturell, der sich im Spätherbst 1968 mit einem ersten Kommentar den Lesern vorstellte: „Die Verkehrssituation an den Bahnübergängen – hoffnungslos!“
Nach dem Tod seines Vaters übernahm Alexander Tins die Druckerei und damit den Lokal-Anzeiger. Der Rest der Geschichte ist den treuen Lesern des Lokal-Anzeigers bekannt!