Erarbeitet hat seinerzeit die Ausstellung Klaus Mai, Mitglied des Bezirksausschusses 24 sowie des Kulturhistorischen Vereins.
Den Anstoß gab der Schleißheimer Heimatforscher Otto Bürger, der von einem „Tandler“ einmal zehn Aquarelle kaufte, Bilder des Grafikers und Malers Johann Naha, der am 3. Januar 1902 in Riga, im heutigen Lettland, das Licht der Welt erblickte und an der staatlichen Werkkunstschule in der estländischen Hauptstadt Tallinn seine Ausbildung erhielt. Naha kam 1944 auf der Flucht vor den Russen nach Deutschland. Von 1951 bis 1953 wohnte und arbeitete er im Lager Schleißheim. Dort schuf er unter anderem diese Aquarelle, auf denen er das Lagerumfeld festhielt. 1953, als das Lager Schleißheim von der Stadt München gekauft und zur „Wohnanlage Frauenholz“ umgebaut wurde, bekam Naha eine richtige Wohnung am Hart, in der Siedlung an der Prager Str., wo er bis zu seinem Tod lebte.
D. P. Camp Schleißheim-Feldmoching oder Ausländerlager Feldmoching
Im Waldstück am Südrand des Korbinianiholzes, im sogenannten Frauenholz, wurden 1937 Baracken für die Kursteilnehmer der Fliegertechnischen Schule am Flugplatz Schleißheim errichtet. Nachdem man die Mitarbeiter der Fliegertechnischen Schule Anfang April 1945 evakuiert hatte, zogen dort im August sogenannte Displaced Persons ein, Russen und Ukrainer zumeist – Entwurzelte, Verschleppte, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, ehemalige KZ-Häftlinge. Sie warteten wie die vielen Leute in anderen Lagern – 1945/46 gab es 9,5 bis 10 Millionen DPs! – auf ihre Rückkehr in die Heimat. Da den rund 750.000 Personen aus dem Osten aber nach der Heimkunft Stalins Gulag gedroht hätte, widersetzten sie sich, so dass die Alliierten brachiale Gewalt anwandten. Beispielsweise kam es am 1. Juni 1945 im österreichischen Lager Pegezz bei Lienz an der Drau im Rahmen einer „Repatriierung“ zu Massenselbstmorden und Toten; am 12. August sprengten US-Soldaten im Lager Kempten einen Gottesdienst und zwangen die Gläubigen mit Gewehrkolben und Knüppeln, in die bereitgestellten Züge Richtung Sowjetunion zu steigen („Blutiger Sonntag“). Darauf beschloss die UNO-Vollversammlung am 12. Februar 1946, dass ab sofort keiner mehr gezwungen werde zurückzukehren. Spätestens mit Beginn des Kalten Kriegs war es das Ziel der Westalliierten, die DPs in den Ländern, in die sie zwangsweise verschleppt worden waren, anzusiedeln beziehungsweise einzugliedern.
Das Lager Schleißheim bestand aus 145 Baracken für maximal 4.500 Personen. Bis etwa 1951 war das Lager zweigeteilt: Östlich der Schleißheimer Str. lebten Ukrainer, westlich russische DPs. Als 1946 Volksgruppen zwischen den verschiedenen Lagern umgesiedelt wurden, kamen weitere 1.200 Russen und 198 (buddhistische) Kalmücken. Letztere wurden von der Lagerleitung wie Menschen zweiter Klasse behandelt.
Eine Wohnbaracke bestand aus 18 bis 20 Zimmern. In jedem Raum wohnte eine Familie. Später musste das Zimmer noch mit anderen Einzelpersonen oder Familien geteilt werden. Wasch- und Trockenräume, Toiletten und Duschen befanden sich außerhalb. (Erst 1954, so erfährt man in der Ausstellung, wurde das „Tröpferlbad“ eingerichtet, ein Wannen- und Brausebad.) Die Räume waren in allen Baracken drei Meter hoch und ließen sich schwer beheizen. Aufgrund der schlecht isolierten Wände und der zugigen Fenster war es im Winter bitter kalt.
Das Lager besaß eine gute Infrastruktur
Es gab eine Küchenbaracke, ein Café mit Biergarten, eine gut ausgestattete Lagerbibliothek, Kindergarten, Grund- und Hauptschule, das Mendelejew-Gymnasium und ein Polytechnikum. In den staatlich anerkannten Schulen unterrichtete man in Deutsch, Russisch und Ukrainisch, Verkehrssprachen waren Russisch und Englisch. Ferner gab es eine Schule für Kunsterziehung, Tanz und Musik. Da im Lager viele Lehrer, Wissenschaftler, Professoren, Künstler, Musiker und Theaterleute wohnten, mangelte es nicht an Lehrern für die teilweise bis zu 485 Kinder. Im Saal der „Lageruniversität“ hielt man Vorträge. Ferner gab es ein Kino, eine Theaterbaracke, einen Buch- und Lebensmittelladen, ein kalmückisches Schlachthaus sowie einen Frisör. Auf einem Basar konnte man freitags alles gegen alles tauschen
In der Krankenstation, bestehend aus mehreren Baracken, versorgten zwei Ärzte und mehrere Krankenschwestern die Kranken, die vor allem an Tbc und Typhus litten.
Seit November 1946 gab es im Lager die russisch-orthodoxe Erzengel-Michael-Kirche. 1948 gehörten ihr 2.000 Mitglieder an. Bis 1952 war sie Kathedralkirche, sprich das geistige Zentrum aller griechisch-orthodoxen Gläubigen in Westdeutschland. Daneben gab es die russisch-orthodoxe „Gymnasialkirche Hiob von Potschajev“, eine griechisch-katholische Kirche sowie den buddhistischen Tempel der Kalmücken in Wohnbaracke 23. Auch einen muslimischen Gebetsraum soll es gegeben haben.
Von Kirchen, Glocken aus Fliegerbomben und Feldkreuzen
Johann Naha bannte überwiegend religiöse Motive auf Papier: die Glocken aus Fliegerbomben, die russisch-orthodoxe und die katholische Kirche sowie zwei Wegkreuze. Auch die Umgebung des Barackenlagers, vor allem die Föhren werden in stimmungsvollen Bildern festgehalten. Das Lagerleben dagegen war ihm offensichtlich zu unprosaisch und zu hässlich, als dass er es hätte festhalten wollen.
Ausstellungsmacher Mai hat sich in den letzten Monaten intensiv mit dem Lager Frauenholz beschäftigt, Archive durchstöbert, einschlägige Literatur studiert und ausgiebig Zeitzeugen sowie deren Nachfahren befragt, um die Geschichte hinter den Aquarellen herauszuarbeiten. So bleibt der Betrachter nicht mit dem Bild allein, sondern erfährt aus den informativen Begleittexten vieles über die damalige Zeit.
Ein Aquarell zeigt beispielsweise das alte „Flaucherkreuz“, das früher dort stand, wo heute bei Mariä Sieben Schmerzen das „Frauenkreuz“ steht (siehe auch Lokal-Anzeiger 11/2009). Es markiert die Flur „Rothes Kreuz“, so informiert die Tafel, wo zu Zeiten des 30-jährigen Kriegs der Pestfriedhof von Feldmoching war. Auf einem weiteren Aquarell hat Naha ein ukrainisches Straßenkreuz festgehalten, das man in Erinnerung an zwei Kinder, die durch die Explosion von aufgefundener Munition getötet wurden, nahe dem Hartelholz errichtet hatte. Als man 1962 an gleicher Stelle ein „Russenkreuz“ aufstellte, kolportierte man in Münchner Zeitungen, dass dort das Grab von neun Ukrainern sei, die die Polizei 1951 bei einer Razzia im Lager erschossen habe.
Auch in Öl wurde das Lagerleben festgehalten
Ergänzt wird die Ausstellung um Bilder zweier weiterer Maler. Der Russe Nikolaj Tschisevkij malte um 1950 beispielsweise den Föhrenwald, der damals noch viel dichter war als heute. Besonders gelungene Bilder steuert Wladimir Krivsky bei. Er schuf nicht nur stimmungsvolle Landschaftsbilder – so hielt er beispielsweise 1947 die zauberhafte Stimmung auf der Münchner Straße von Schleißheim aus nach München gesehen durchs Korbinianiholz fest. Krivsky gibt auch einen Blick auf das bescheidene Lagerleben frei, wenngleich auch der ins milde Licht der Idylle getaucht ist.
Auf einem Bild etwa sieht man eine dick verhüllte Frau, die sich eines Wintermorgens im ukrainischen Lagerteil nach Brennholz bückt. Ein anderes Bild zeigt die hintere Lagerstraße, auf der sich Gänse tummeln. Nach der Währungsreform bildeten sich im Lager bescheidene Existenzen heraus – einige Bewohner etwa züchteten im hinteren Lagerbereich Gänse und Hühner zum Verkauf.
Krivsky, am 11. Mai 1928 in Pantschowa an der Donau im heutigen Serbien geboren, besuchte die russische Kadettenschule und erlernte die Malerei von einem dort ansässigen Maler. Die Bilder zum Lager Frauenholz malte er von 1946 bis 1950, als er dort wohnte. Heute lebt Krivsky in New York. rer
Josef Buschbacher meint
….sehr interessant diese Ausführungen. Das war mir bisher so nicht bekannt.
Ich, Jahrgang 1949, lebte mit meiner Mutter und meinem Bruder von 1950 bis 1956 in einer Baracke im Heinrich-Braun-Weg 11. Als ich jetzt nach 57 Jahren in diesen Tagen mit dem Fahrrad dort vorbeikam wurden in dem noch vorgefundenem Kiefernwäldchen alte Erinnerungen geweckt.
Schade, aber das mit der Ausstellung 2010 ist mir nicht bekannt gewesen,mich hätte das sehr interessiert.
Über weitere Informationen wäre ich sehr dankbar.
Freundliche Grüße