Wie groß der Bedarf an bezahlbarem Übergangswohnraum für wohnungslose Familien ist, zeigt sich schon daran, dass die Bettenzentrale, die die Erstbelegung vornimmt, bereits am ersten Tag 25 Personen dem Haus Wilhelmine zuwies, darunter eine polnische Frau mit ihren drei halbwüchsigen Töchtern sowie eine syrische Familie. Alle könnten übrigens überraschend gut Deutsch, seien sehr dankbar und sehr höflich, wie der Betreiber, der jeden Ankömmling mit Handschlag begrüßt und schon einige mit Vornamen kennt, gleich diktieren lässt. Was allerdings auch nicht ganz verwundert, denn Anspruch auf eine solche Unterkunft hat nur, wer bereits mindestens sechs Monate in München ist. Frisch eingetroffene Asylanten aus der Bayernkaserne werden hier also nicht anzutreffen sein.
So sind die 52 Bewohnerzimmer ausgestattet
Haus Wilhelmine, in einem Jahr geplant und gebaut, hat 52 Bewohnerzimmer für maximal 185 Personen, die gewöhnlich in 3- oder 4-Bett-Zimmern untergebracht werden. Es gibt zwar auch einige Räume mit dreistöckigen Hochbetten, um bis zu fünf Personen in einem Raum unterzubringen. Aber das sei wirklich nur für den absoluten Notfall gedacht, wenn wieder einmal in München keinerlei Unterkunftskapazität frei sei, versichert Projektleiterin Anja Nita vom Amt für Migration. Denn jedem Bewohner stehe in dieser neuen Vorzeigeeinrichtung eine Fläche von 7 m2 zu – gesetzlich vorgegeben seien 6 m2. Eine 5-köpfige Familie kommt folglich in einem 3- und einem 2-Bett-Zimmer unter, auf dass sie das zwischen den beiden Räumen liegende Bad mit Dusche (allerdings ohne Duschwanne oder -abtrennung) gemeinsam nutzen können. Manche Eckzimmer haben sogar ein eigenes Bad.
Darüber hinaus sind sämtliche Bewohnerzimmer mit vergleichsweise tiefen Spinden samt Oberschrank ausgestattet, auf dass die Wohnungslosen möglichst viele ihrer Habseligkeiten verstauen können. Jedes Zimmer hat ferner ein einfaches kleines Sideboard und einen Anschluss für einen Fernseher. Über die große, hauseigene Satellitenschüssel sei die Grundversorgung mit allen möglichen europäischen und arabischen Sendern gewährleistet, verspricht der Betreiber. Zudem gibt es pro Zimmer eine Netzwerkdose fürs Internet. Man kommt aber auch via WLAN ins Web, entsprechende Router sind in den Gängen installiert. Jedes Zimmer ist per Chipkarte zugangsgesichert, wie auch die Kühlschränke (samt Gefrierfach) und die Vorratsschränke in den Gemeinschaftsküchen jeweils per Vorhängeschloss zu sichern sind. Jeder Familie stehen nämlich ein eigener Kühlschrank und ein Vorratsschrank zur Verfügung.
Viel Personal kümmert sich um Groß und Klein
Neben den Bewohnerzimmern gibt es in Haus Wilhelmine auch einige Verwaltungs- und Bürozimmer für Betreuer. Vorbehaltlich der Stadtrat stimmt zu, werden Mitarbeiter vom Internationalen Bund die Bewohner in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens und bei der Suche nach einer eigenen Wohnung unterstützen. Der Internationale Bund ist ein freier Träger mit langjähriger Erfahrung in der Wohnungslosenhilfe und bei der Betreuung von Menschen in Notlagen.
Ferner hat der Betreiber des Hauses rund um die Uhr eine Hausverwaltung zu stellen. Dieser wird des Englischen mächtig sein, verspricht der Betreiber, um eine Grundverständigung mit den Bewohnern zu gewährleisten. Die Verwaltung soll dafür sorgen, dass die Hausordnung (in vielen nur erdenklichen Sprachen erhältlich) eingehalten wird und beispielsweise nachts nichts aus dem Ruder läuft. Der Hausmeisterdienst ist auch der Ansprechpartner, wenn es Probleme geben sollte mit der Nachbarschaft. Er wird dann versuchen, zusammen mit den Bewohnern und den Betreuern eine nachbarschaftliche Lösung zu finden, versprechen die Mitarbeiter des Sozialreferats.
Der Putzdienst des Betreibers wird ferner die Gemeinschaftsflächen, die Bäder, Flure und Küchen sauber halten und ein wachsames Auge auf die Bewohnerzimmer haben, um einzugreifen, falls es jemand mit der Sauberkeit nicht allzu genau nimmt.
Haus Wilhelmine ist für sehr viele Kinder ausgelegt
Sozialpädagogisch geschulte Mitarbeiter werden für die Kinder in einem eigenen großen Gruppenraum spezielle Betreuungsangebote offerieren (Hausaufgabenbetreuung für die Schulkinder, Dartscheibe und Fußballkicker für die Größeren, Spiele etc. für die Kleinen), und zusätzlich werden sich ErzieherInnen um sie kümmern.
Auch in weiteren Details zeigt sich, dass Haus Wilhelmine gut für Kinder, für viele Kinder eingerichtet ist: So gibt es einen beheizten und gleichfalls per Chipkarte zugangsgesicherten Buggy-Raum, in dem sich bis zu 45 Kindergefährte abstellen lassen. Für die Babys stehen höhenverstellbare Gitterbettchen aus massivem Holz mit Spannbett-Tüchern in rot oder blau sowie netten Babydecken bereit. Weiteres Beispiel: Die Mädchentoiletten und Pissoirs für die Jungs neben dem Gruppenraum sind in verschiedenen Größen und Höhen für die unterschiedlichen Altersstufen ausgeführt. Und natürlich sind auch die Handwaschbecken für die Kleinen deutlich niedriger an der Wand angebracht als für die größeren.
Übrigens: Die Kinder sollen in der Regel Schulen, Horte und Kindergärten der Umgebung besuchen. Allerdings werden sie bis zum Ende des laufenden Schuljahres erst einmal ihre alte Schule weiterbesuchen. Im Einzelfall könne je nach Bedarf und Situation des Kindes davon abgewichen werden, sprich ein früherer Wechsel oder auch ein Verbleiben in der alten Schule sei möglich, erläutert Martin Kunschak vom Amt für Wohnen und Migration, Akute Wohnungslosigkeit.
Fazit: Haus Wilhelmine ist ordentlich und funktional eingerichtet. Helle Gänge mit strapazierfähigem Industriefußboden in Holzoptik vermitteln wie auch die Bilder, die überall an den Wänden hängen, eine angenehme, freundliche Atmosphäre. Wichtig wird es für die Zukunft sein und eine große Aufgabe für den Betreiber, dass bei dem häufigen Mieterwechsel die Zimmer nicht „heruntergewirtschaftet“, sondern aufgearbeitete Einrichtungsgegenstände konsequent erneuert werden.
So geht es weiter an der Karlsfelder Str. 8
Da der Betreiber von Haus Wilhelmine auch die Unterkunft für bis zu 110 Personen an der Karlsfelder Str. 8 bauen wird, konnten wir beim Besichtigungstermin auch für die Feldmochinger Einrichtung ein paar Details in Erfahrung bringen.
Danach soll das neue Haus am 1. April 2016 bezugsfertig und in etwa gleich ausgestattet sein, vom Industriefußboden bis hin zu den Keramikhandwaschbecken. Im Laufe des Jahres wird dafür der alte Baderhof abgerissen und ein Neubau in U-Form errichtet, mit Grünanlage, großem Spielplatz und einem Gemeinschaftsraum, den, so hat es das Amt für Migration angedacht, abends auch Vereine nutzen könnten. Das werde die Offenheit der Einrichtung und die Integration der Bewohner fördern, so ist sich Anja Nita vom Sozialreferat sicher.
Wie im Haus Wilhelmine sollen auch an der Karlsfelder Str. in den geplanten 2-, 3- oder 4-Bett-Zimmern ausschließlich Familien vorübergehend eine Bleibe finden, während die Einrichtung an der Waldmeisterstr. 98, die aus Containern errichtet wird, ausschließlich für Einzelpersonen gedacht ist.
Walter Otter meint
Leider wie die Vorgeschichte nicht erzählt, dass das Haus ursprünglich als Bürogebäude geplant war, sich aber offenbar nicht genügend Mietinteressenten fanden (schließlich gibt es in München ein Überangebot an Büroflächen) und nachträglich umgewidmet wurde. Wie die Besucher beim Tag der Offenen Tür sehen konnten, gibt es deshalb auch einige bauliche Eigenheiten wie eine Säule vor einem Waschbecken, die den freien Zugang etwas behindert, vor alllem für Rollstuhlfahrer unmöglich macht.
Zu verdenken ist es dem Betreiber nicht, auf den städtischen Mieter umzusatteln, werden ihm doch (lt. städtischen Quellen) pro Bett 500 Euro im Monat gezahlt, macht bei den 185 Betten eine runde Million Euro im Jahr, auf 10 Jahre garantiert. So verwundert es auch nicht, wenn er gleich das nächste Objekt (Karlsfelder Str. 8) in Angriff genommen hat.