Wilhelm Göhring wurde, entgegen der landläufigen Darstellung in der Literatur am 8. Juli 1876 nicht in München, sondern in Magdeburg geboren. (Göhring war daher Protestant.) Die Familie Göhring – der Vater war Schlossergehilfe – kam noch vor 1900 nach München und wohnte zunächst in Sendling.
Wilhelm Göhring hatte vier Brüder, die Eltern konnten dem begabten Bub daher kein Studium bezahlen. Nach der Schule ging er zunächst in die Lehre bei einem Bildhauermeister, ehe er sich am 2. November 1903 unter der Matrikelnummer 2670 mit 27 Jahren immatrikulierte. Zunächst studierte er an der Königlichen Kunstgewerbeschule (KGS), ab 1905 an der Bayerischen Akademie der Bildenden Künste, und zwar in der Bildhauerschule für christliche Kunst.
An der Akademie gefiel es ihm offensichtlich gut, denn er studierte 16 Semester (bis Juli 1911) „mit bestem Erfolg“, „mehrfachen Belobungen“ und Preisen (darunter einmal die höchste Auszeichnung, die große silberne Medaille), wie es in einem Empfehlungsschreiben der Akademie vom 15. April 1918 heißt. Zu seinen Professoren zählten unter anderen Hans Wadaré an der KGS und Wilhelm v. Rümann (1850-1906) sowie Balthasar Schmitt (1858-1942) an der Kunstakademie.
Hohe Ehre: Tafeln mit Prinzregent Luitpold
Student Göhring musste sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen und nahm dazu nicht nur anderweitige Arbeiten an, sondern beteiligte sich auch an verschiedenen Wettbewerben, die ihm 1908 und 1910 jeweils einen 2. Preis („Das Baden“ bzw. „Die Sünde“) und weitere Aufträge bescherten. Göhring machte bereits während des Studiums auf sich aufmerksam – und so wurde er am Donnerstag, den 10. Juni 1909 um 2 Uhr zur Tafel bei Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzregenten eingeladen. Die Speisekarte von anno dazumal (in Französisch!) hat sich ebenso erhalten wie die Einladung, abgefasst vom königlichen Obersthofmarschall, der dezent darauf hinweist, dass „Frack und weiße Binde“ angesagt seien und Prinzregent Luitpold vor der Tafel die „Adresse entgegennehme“.
1909 kauft der Bildhauer die Villa beim Bahnhof Fasanerie
Dass der strebsame, fleißige Wilhelm, der in der Erinnerung seiner Enkelin Renate Müller ein sehr auf Ruhe bedachter Mensch war, der Trubel nicht ausstehen konnte, schon während des Studiums Erfolg hatte, lässt sich auch daran ablesen, dass er am 30. Juli 1909 mit seinem Bruder Peter, einem Kaufmann, das Haus Nr. 112 an der damaligen Moosacherstr., der heutigen Feldmochinger Str. 222 – dort wo heute der Edeka situiert ist – kaufen konnte.
Dieses schöne Haus war das erste in der späteren Fasanerie gewesen. Erbaut hatte es 1897 der Gärtner Hans Aschauer, der sich damit offensichtlich finanziell übernommen hatte, denn es wurde bereits am 26. November 1898 versteigert. Am 7. Januar 1900 erwarb es die Familie (v.) Lossow. Heinrich v.
Lossow war nach Auskunft der Göhring-Enkelin Restaurator im Schloss Schleißheim und malte selbst Bilder. Daher baute er noch 1900 auf der Nordseite – wegen der günstigen Lichtverhältnisse – ein Atelier an. Neun Jahre später gehörte die Villa der Familie Göhring, die dort zunächst alleine wohnte.
Als 1918 Wilhelm Helene Theresia Sperr heiratete, die Tochter des letzten königlichen Fasanenmeisters vom Oberen Fasangarten, zogen auch die Schwiegereltern mit ins Haus. Wilhelm hatte seine Frau in der damaligen „Gaststätte Fasanerie“ kennengelernt. Helene war nicht nur 17 Jahre jünger als er, sondern auch rund 10 cm größer. Deshalb ließ sich Wilhelm Göhring, mit 1,60 m eher klein, nur dann mit seiner Frau fotografieren, wenn diese Platz nahm! Helene saß ihrem Mann für viele Figuren und Frauenköpfe Modell – fremde Frauen hätte sie nicht im Atelier geduldet!
Das Paar hatte einen Sohn, der gleichfalls Wilhelm hieß und erst 1949 aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte. Dessen Witwe Magdalena Göhring, geb. Kiefel (sie starb 2006), war die letzte Bewohnerin der Villa. Sie zog allerdings schon 1997 aus, also weit vor dem Abbruch des Hauses, um der Tochter näher zu sein. Zu den weiteren Bewohnern des großen Hauses gehörten dereinst auch Magdalenas Mutter sowie Pauline, die Witwe von Peter Göhring.
Das ist in der neuen Ausstellung zu sehen
Bevor Haus und Grundstück (ca. 3.000 qm) verkauft wurden, durfte Helmut
Kessler die Villa mit Atelier von Innen und Außen fotografieren und konnte dabei einige Dinge retten, wie einen Guss-Kopf im Stil des Historismus, der auf der Nordseite über einem Atelierfenster angebracht war.
Die Enkelin erinnert sich, dass es im Haus früher unter anderem ein Original-Biedermeierzimmer gab. Das Wohnzimmer war mit Möbeln samt Kerbschnitzereien ausgestattet, die Göhring selbst angefertigt hatte, darunter auch einen Kleiderschrank von 1927 für seine Frau.
Die Ausstellung will dem Besucher den Bildhauer näherbringen anhand von 21 Tafeln, zahlreichen historischen und neueren Bildern sowie mit einer größeren Anzahl von Exponaten (Modelle von Figuren, Reliefplatten sowie als Höhepunkt der überlebensgroße, rund fünf Zentner schwere „Lehrende Christus“, um 1920 aus Eichenholz gefertigt, in vielen Ausstellungen gezeigt und prämiert) aus dem Fundus des Kulturhistorischen Vereins sowie Leihgaben der Enkelin.
P.S.: Die Ausstellung „Der akademische Bildhauer Wilhelm Göhring“ im ehemaligen Feldmochinger Gemeindehaus (Josef-Frankl-Str. 55, 1. Stock) ist samstags und sonntags jeweils von 14 bis 17 Uhr zu besichtigen. Der Eintritt ist frei.