Nun scheint die charmante Zehentbauer-Villa schneller als gedacht dem Erdboden gleichgemacht zu werden. Zwar hatten sich schon die letzten Wochen die Zeichen gemehrt, dass das Haus an der Lerchenauer Str. bald abgerissen wird. Denn auf dem Grundstück des 1961 verstorbenen Krippenkünstlers an der Lerchenauer Str. stand ein Abbruchcontainer und Hausrat lag und liegt verteilt im Garten umher. Am vergangenen Freitag nun rückten die Abbruchleute dem Dach zu Leibe.
Offensichtlich hat die Stiftung der Raiffeisenbank München Nord, die das Grundstück im März 2014, kurz nach dem Tod von Gerhard Schramm – der Schwiegersohn von Otto Zehentbauer kümmerte sich jahrzehntelang liebevoll um das Haus –, vom Erben erworben hat, mittlerweile eine Baugenehmigung erhalten.
Der Bürgerverein Lerchenau jedenfalls wurde vor einigen Tagen schriftlich von der Stiftung aufgefordert, innerhalb eines Tages die noch verbliebenen Exponate aus dem ehemaligen Atelier des Künstlers zu räumen, was auf die Schnelle nicht machbar war, weil die drei großen Gipsfiguren ja ein gewisses Gewicht haben und ein paar starke Männer erfordern. Außerdem sind sie zerbrechlich, wie Helmut Kessler, der Ehrenvorsitzende des Kulturhistorischen Vereins, miterleben „durfte“. Denn die Entrümpler, die das Haus leer räumten und die Figuren einstweilen in die Garage schafften, haben bei diesem „Umzug“ gleich mal dem 2 m großen hl. Johannes den Kopf und einen Arm abgebrochen.
Die drei Gipsfiguren sind Modelle späterer Werke: Die Madonna mit Kind etwa war Modell für ein Werk, das Otto Zehentbauer für Bayreuth schuf. Die Figuren müssen nun bis 10. Januar aus der Garage geholt, sachgemäß zwischengelagert und restauriert werden. Tja, und das Medaillon an der rechten Hauswandecke ist auch in dem ganzen Abbruchchaos „verloren“ gegangen, während die letzte verbliebene Schnitzerei am Hauseingang der Bürgerverein per Säge noch retten konnte.
Mit dem Zehentbauer-Haus verschwindet ein weiteres Stück Geschichte aus dem damit eh nicht sehr reichlich gesegneten 24. Stadtbezirk. Und bald kann man schöne alte Villen nur noch in Bogenhausen, Harlaching oder Solln bewundern!
P.S.: Einen kleinen Einblick in das Wirken des Krippenkünstlers und sein ehemaliges Atelier auf der Westseite des Hauses gibt ein kleiner 16mm-Amateur-Stummfilm aus dem Jahr 1941, der im Internet unter http://domkrippe.de/krippe/stummfilm-besuch-beim-krippenkuenstler zu finden ist.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs hatten mehrere Geistliche einen abendfüllenden Stummfilm im 16mm-Breitband-Kinoformat in Auftrag gegeben und eine 15-minütige Szene handelt von zwei Jugendlichen, die Otto Zehentbauer in seiner Werkstatt besuchen und sich von ihrem mühsam gesparten Groschen kleine Krippenfiguren kaufen. Was waren das noch für Zeiten, als man die Kunst, trotz großer Not, ehrte! Heute wird alles abgerissen und muss einer Bankfiliale weichen.
Reinhard Krohn meint
Beim Anblick des historischen Zehentbauer-Hauses in der Lerchenau schwanken die Gefühle zwischen Trauer und Zorn.
Viele Menschen in unserem Stadtbezirk und darüber hinaus im Münchner Norden stellen sich immer wieder die Frage, warum offensichtlich in unserem Raum der Denkmalschutz so sehr vernachlässigt wurde und wird. Aber, auch in anderen Münchner Stadtteilen ist historische Bausubstanz nicht vor der Abrissbirne sicher.
In der Lerchenau fiel zuerst der historische Wasserturm, wofür die Bürger ein schlüssiges Restaurierungs- und Nutzungskonzept ausgearbeitet und den Behörden vorgelegt hatten. Vergeblich! Nun fällt das historische Zehentbauer-Haus und muss einem Zweck-Neubau der Raiffeisenbank München Nord weichen. Was bleibt denn den Lerchenauern noch an schützenswerter Substanz aus früheren Zeiten übrig? Leider sieht es in anderen Stadtteilen nicht viel besser aus, etwa in dem alten, geschichtsträchtigen Feldmoching. Es ist doch nur noch eine Frage der Zeit, dass die Reste des noch erhaltenen Immobilienbestands aus dem früheren Bauerndorf Feldmoching der Abrissbirne zum Opfer fallen werden. Von einem dörflichen Ortscharakter werden dann die Menschen nicht mehr reden können. Stattdessen sind große eng bebaute Neusiedlungen mit mehrstöckigen und gesichtslosen Wohnkästen konkret in der Planung. Die irritierten und berechtigterweise äußerst kritischen Bürger werden in Informationsveranstaltungen auf diese „alternativlosen“ und abweisenden Monstersiedlungen auf den noch freien Restflächen eingeschworen. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als schließlich zu resignieren und alle Planungen und Großbauprojekte (an Infrastruktureinrichtungen wird dafür dann eher gespart) über sich ergehen zu lassen. Die ehemals kulturhistorischen Schätze der näheren Heimatregion wird man eines Tages nur noch auf Papier gedruckt in Archiven anschauen können. Pessimismus? Nein, das ist die Realität!
Reinhard Krohn