Freie Wähler, ÖDP und die München-Liste haben ein Bürgerbegehren gestartet für ein lebenswertes München und gegen die „maßlose Nachverdichtung“. Vier Forderungen umfasst das Bürgerbegehren. Beispielsweise sollen die riesigen Bauvorhaben im Nordosten und Norden – Stichwort SEM und Kosmo – komplett gestrichen werden und in Neubaugebieten soll wieder jedem Einwohner mindestens 32 qm öffentliches und privates Grün zur Verfügung stehen. Es braucht keine Glaskugel – die allgegenwärtige Nachverdichtung wird ein heißes Thema im aufziehenden Kommunalwahlkampf. Sind auch Sie gegen maßlose Nachverdichtung? Dann können Sie die Liste beispielsweise beim Reisebüro Hopfensberger am Walter-Sedlmayr-Platz unterschreiben oder sich im Internet eine Unterschriftenliste herunterladen und gleich bei Nachbarn, Freunden und Arbeitskollegen weitere Unterschriften sammeln!
SPD, CSU, die Grünen und die FDP hängen seit Jahr und Tag dem Wachstumsdogma an: Es muss gebaut und gebaut werden, damit die Mieten endlich sinken und sich auch in Zukunft noch Normalverdiener die Stadt leisten könnten. (Aber nach dieser Logik müssten die Mieten in Paris und London folglich niedrig sein?!) Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die die gnadenlose Bauen-Bauen-Strategie für verfehlt halten, da mit jedem Neubau die Preise nur noch weiter steigen und gesichtslose Neubauten Bäume, charmante Hinterhöfe und Grünflächen verdrängen. Die Folgen des gigantischen Baubooms spürt jeder heute schon: überfüllte Busse und Bahnen sowie ewig lange Autoschlangen zu den Hauptverkehrszeiten, aber auch am Wochenende, wenn gestresste Münchner der Enge in den Häuserschluchten für ein paar Stunden entfliehen wollen und gen Alpen fahren, Engpässe bei der Kinderbetreuung, in Krankenhäusern … Die Initiatoren des Bürgerbegehrens wollen nicht mehr so weitermachen, sondern fordern:
1. Erhalt der gewachsenen Stadtviertel und ihrer Identität.
2. Mehr Grün für die Stadt – damit nicht alle am Wochenende hinausströmen und sich die Stadt im Sommer unendlich aufheizt.
3. Erhalt der letzten großen freien Flächen Münchens im Osten und Norden, denn sie sind wichtig für die regionale Versorgung, die Erholung der Münchner und fürs Stadtklima. Außerdem gehören sie zum regionalen Grüngürtel, der doch nicht angetastet werden soll.
4. Weniger neues Gewerbe – weil sich in den letzten zehn Jahren die Zahl der Arbeitsplätze 3,6 mal so stark erhöhte wie die Anzahl der Wohnungen. Daher: wenn schon bauen, dann Wohnungen.
An die 40.000 Unterschriften braucht das Bürgerbegehren, dann kommt es zu einem Bürgerentscheid
Richard meint
Da die Sättigung des Münchner Mietwohnungsmarktes auch mit den angestrebten 60.000 neuen Einheiten noch lange nicht erreicht ist, hätten die Wohnungssuchenden, zumindest finanziell, relativ wenig davon. Von einer gewissen Enspannung auf dem Sozialwohnungssektor ist allerdings auszugehen.
Vordringlich wäre aber zunächst eine tragfähige Infrastrukturplanung; Ertüchtigung des Straßen- und Schienennetzes für alle Verkehrsteilnehmer, Einführung wirklich günstiger und nachvollziehbarer ÖPNV-Tarife, z.B. ein 365-Euro-Ticket.
Die Benutzung von Bus und Bahnen muss billiger werden als das Autofahren!
Bernd meint
Da bin ich bei Ihnen. Mit Bauwut die selbst herbeigeführten Probleme lösen zu wollen, ist reiner Populismus bzw. ideologiegetriebene Utopie. Die Forderung muss sein: Gleiche Lebensbedingungen im ganzen Land. Und da muss man an die Ursachen und nicht an die Symptome gehen. Ich gehe davon aus, dass sehr viele gar nicht nach München ziehen wollen, sondern wegen der Arbeitsplätze müssen. Und diese werden wegen der erhofften Steuereinnahmen massiv gefördert. Leider wird dabei keine Kosten- Nutzen-Rechnung aufgestellt. Wir können ja jetzt schon unsere soziale Infrastruktur kaum erhalten. Würde man den Menschen in ihrer Heimat (und da meine ich auch die 50% zuziehenden Ausländer, die im eigenen Land dringend gebraucht würden) mehr ermöglichen, wäre der Druck auf die Metropolregionen weitaus geringer. Ein abendfüllendes, schwieriges und leider strittiges Thema, das in vielen Bereichen mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehbar ist. Eine neue Liste, die die Finger in die Wunden der etablieretn „Weiterso-Beton-Parteien“ legt und Tatsachen aufzeigt, befürworte ich deshalb ausdrücklich.
Karsten meint
Hier ist ein einfacher Test für die Glaubwürdigkeit der Initiatoren solcher Bürgerbegehren:
Wenn das eigene Haus zum Verkauf steht, bzw. eine Wohnung vermietet werden soll, wird dann dem meistbietenden Käufer der Vorzug gegeben oder für einen vernünftigen (niedrigeren) Preis an jemanden „aus dem Ort“ verkauft? Wird für die Mietwohnung ein Quadratmeterpreis nahe dem Mietspiegel aufgerufen oder ein möglichst hoher Betrag?
Bisher sehe ich hier nur das die meisten Hausbesitzer versuchen viel Geld herauszuholen, und das Ergebnis ist die zunehmende Verdichtung. Die Gartenstädte verschwinden nicht weil die Stadt sie nicht mehr will, sie verschwinden weil die zu Mondpreisen verkauften Grundstücke sich für die neuen Investoren nur lohnen wenn statt einem einzelnen Wohnhaus ein Mehrspänner errichtet wird.
Solange das so ist haben diese Bürgerbegehren gegen weitere Bebauung einen nicht geringen Teil Egoismus: Für sich selber das meiste herausholen, aber bitte nicht von den Konsequenzen derselben Handlung anderer getroffen werden.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist völlig legitim für den eigenen Vorteil zu kämpfen, aber allen Mietern und Immobilien-Suchenden sollte klar sein, das in dieser Situation die Unterstützung dieser Bürgerbegehren schlicht ein Schnitt ins eigene Fleisch ist.
Bernd meint
Da vergleichen Sie Äpfel mit Birnen. Den Initiatoren geht es wohl darum, München lebenswert zu erhalten. Was ist denn, wenn die noch machbaren 60.000 Wohnungen gebaut sind (Angabe des OB)? Wird dann irgend etwas billiger oder besser? Die Luft, der Verkehr und die Erwärmung sicher nicht. Dann ist die Lebensqualtität ganz im Keller. Wenn die Stadt im selben Tempo weitermacht, ist das schon in 10 Jahren so weit. Und was haben die Rekordzahlen der Baugenehmigen (s. hier: https://ru.muenchen.de/2019/213/Erneut-positive-Jahresbilanz-im-Wohnungsbau-88034 ) gebracht? Je mehr gebaut wird, desto mehr Menschen kommen nach München und desto höher werden die Preise. Und die Stadt brüstet sich noch, dass wie wild gebaut wird… Und nebenbei wurde erst kürzlich der Etat für Werbemaßnahmen erhöht. Wenn bewusst weltweit Investoren nach München gelockt werden und weiterhin massiv Gewerbe mitten in der Stadt gefördert wird, ist das Problem hausgemacht. Und dann sollte auch nicht über mangelnden Wohnraum gejammert werden. Und in den strukturschwachen Gebieten zerfällt alles….
Hans meint
@Karsten
Offenbar haben Sie das Begehren nicht richtig gelesen. Wenn eben keine Mehrspänner mehr gebaut werden können, weil das mit der geforderten Quadratmeterzahl nicht mehr machbar ist, werden auch die Aufkäufe von Grundstücken zu Horrorpreisen zurückgehen. Seit Jahrzehnten bis Jahrhunderten ist das Streben der Menschen in Ballungsgebiete zu beobachten, was zu Megacities mit den bekannten sozialen Problemen führt. Dem Einhalt zu gebieten ist höchste Zeit. Man muß die Menschen dort „abholen“, wo sie sind, nicht hinlocken, wo sie sich was Besseres erhoffen und erst dann die Sackgasse erkennen. Dazu muss eben eine Gesamt-Planung von oben geschehen, die einzelne Gemeinde oder Stadt kann nur abblocken, aber nicht für das ganze Land (und Ausland) zuständig sein.
Das Bürgerbegehren ist nur ein kleiner Schritt, aber in die richtige Richtung. Nur wenn sich viele entsprechend äußern, werden sich die Politiker was überlegen. Wenn wir aus Bequemlichkeit (oder Dummheit?) immer wieder die gleichen Leute wählen, sehen die natürlich keinen Grund für Änderung. Da zeigt sich der erwähnte Egoismus. Mehr Leute = mehr Wähler = mehr Geld bzw. mehr Firmen = mehr Aufsichtsratsposten = mehr Geld.
Noch ein Hinweis für die Grünen und Ultragrünen: Flächenerhalt heißt nicht einfach alle Bauten außerhalb der Stadt zu blockieren, die Flächen in der Stadt sind mindestens so schützenswert. Da die Flächen nicht vermehrt werden können, geht es um sinnvolle Einteilung, und dazu muss auch eine, allerdings vernünftige, neue Fläche erschlossen werden dürfen.