Kunst braucht Raum und was gibt es derzeit im idyllisch halbverfallenen Eggarten mehr als Freiraum samt natürlichen Anregungen, an denen Auge und Fantasie hängen bleiben. Diese kreative Spielwiese genossen am Sonntag, den 25. Juli Studentinnen und Studenten der Bildhauerklasse von Prof. Hermann Pitz im Rahmen ihrer Jahresausstellung 21 „egg*arten“ sichtlich. Sie eroberten sich das verwunschene Areal an verschiedenen Stellen mit Installationen und Aktionen und setzten sich dabei mit dessen Geschichte und vor allem dessen drohender Zukunft auf kreativ besondere Art und Weise auseinander.
Quasi „Heimatlos“ sind derzeit nicht nur viele Flutopfer in NRW und Rheinland-Pfalz, deren Häuser zerstört wurden und deren Hausrat von den Wasserfluten fortgerissen wurde. „Heimatlos“ sind auch die Gartenpächter im Eggarten, die mit viel Herzblut oft jahrzehntelang ihren Garten, die Blumen und Bäume hegten und pflegten. Sie müssen Haus und Hof verlassen. Unter dem Eindruck der Unwetterkatastrophe der letzten Wochen hat eine junge Künstlerin die Installation „Heimatlos“ geschaffen – in einem aufgelassenen Gartengrundstück, auf dem kürzlich ein Häusl Raub der Flammen wurde und das daraufhin bis auf die Grundmauern abgerissen wurde. Das zerstörte Lehmhaus steht nun einsam am Rande dieser Baugrube, in der zwei Bratpfannen zwischen Kieselsteinen zurückgelassen wurden. Der einstige Elektroherd steht ein wenig entfernt davon, sinnentleert wie hilflos vergessen, mitten in der Landschaft herum.
Vertrieben wurden die Eggarten-Bewohner von Baukonzernen, deren Lenker vielleicht in der Kindheit zu viel Monopoly gespielt haben und die ihren Spieltrieb nun im €ggarten weiter fortsetzen wollen, wie eine weitere Installation an der Feldbahnstr. suggeriert.
Im €ggarten geht es ums große Geld
Und wer sage, dass Künstler sich nicht der modernen Medien bedienen könnten. Unter www.casubimmo.site haben sie eine halb realistische, halb satirische Website aufgebaut, um für ihr Schuttbergquartier zu werben, wobei sich das Konzept mindestens genauso verschwurbelt mit Fachchinesisch-Platitütden versetzt liest wie die Schöne-neue-urbane-Quartierswelt der Immobilienkonzerne. Dass es hier nur ums Geld geht, ums große Geld, und die Natur dabei ausverkauft wird – darauf wollten die jungen Künstler mit „Sale“-Schildern im Viertel wie mit ihrer Versteigerungsaktion aufmerksam machen. Die Fake-Auktion wurde so realistisch durchgeführt, dass Besucher völlig irritiert fragten, ob man die Häuser wirklich ersteigern könne.
Beim endlos sprechenden Eggarten-Maibaum, gebaut aus einer Straßenlaterne, Holz und Modelliereisen, hatte sich jemand mächtig viel Mühe gemacht und statt der Zunftschilder das verschachtelte Büschl-Imperium dargestellt. Dazu lief in Endlosschleife eine vierminütige Audiosequenz, in der es um den geschickten Finanzkniff der „Shared Deals“ ging, dem Erwerb der Mehrheit von Unternehmensanteilen, womit Immobilienkonzerne die Grunderwerbssteuerzahlung umgehen. Sehr beeindruckend war neben dem „Herrgottswinkel“ mit den Trauerbildchen und den Abgesängen auf das verlorene Paradies (Thema: „Zurück“) auch der „grüne und nachhaltige Betonbaum mit natürlicher Vollholzverschalung und innovativer vertikaler CO2 neutraler Rasenausgleichsfläche in reminiszierender Form der historischen Giebelfenster des Eggartens“. Wie oft wird heute Beton(Gold) unter dem Mäntelchen eines angeblich nachhaltig und ressourcenschonend gebauten, klima- und umweltfreundlichen „grünen Quartiers“ versteckt.
P.S. I: Die offensichtlich liebevoll gepflegten Cannabis-Pflanzen in einem verlassenen Gewächshäusl (Installation „so wird es nie wieder sein“) waren übrigens nicht Teil der Kunstaktion, wie Prof. Pitz betonte, sondern gediehen bereits zuvor prächtig.
P.S. II: Hier finden Sie die Kunstwerke der einzelnen Studenten zum Anklicken als Info.
Tiny House meint
So wie sich die Kunst in den Eggarten einfügt, würde sich auch eine Tinyhouse-Siedlung perfekt dort einfügen. Altes bewahren, Neues dazu stellen und nebenbei diese grüne Oase erhalten. Da könnte München mal Vorreiter sein.
Biggi meint
Herrlich frech und subversiv, weiter so
Birgit Sasowski meint
Diese einzigartige Naturoase im Münchener Betondschungel heißt es um jede Preis zu erhalten. Jede Großstadt braucht ihre Biotope zum Klimaschutz, zur Erholung der Menschen und für den Artenschutz. Die Nachverdichtung in München ist unerträglich. Es ist an der Zeit, die Leerstände zu beseitigen und die Immobilienspekulationen, die Vertreibung und Leerstände auslösen, zu unterbinden. In München stehen an jeder Ecke Wohnhäuser leer bzw. sind durch Spekulationen und Abbrüche dem Wohnmarkt über Jahre hinweg entzogen. Hier wird kein Wohnraum geschaffen, sondern überall Wohnraum entzogen. Herrliche, vollkommen solide historische Altbauten, die an Nachhaltigkeit und Langlebigkeit mit dicken Ziegelwänden und Gewölbekellern nicht zu toppen sind, werden durch billige Betonbauten ersetzt, die nur eine kurze Lebensdauer haben. Erst einmal muss hier angesetzt werden, bevor Biotope angegriffen werden. München braucht Wohnraum und Lebensqualität. Das ist kein Widerspruch. Die vermeintlichen Luxussanierungen, die im echten Sinne keine sind, müssen unterbunden werden. Im Osten stehen unzählige Wohnhäuser leer und sind dem Verfall preisgegeben. Hier fehlt der Masterplan, es muss nicht alles in die Großstädte gepresst werden. Und erst mal die Leerstände beseitigen. Daher Finger weg vom Eggarten!
Jimi meint
Neben der Artenvielfalt an Flora und Fauna im €ggarten gibt es jetzt auch eine ARTvielfalt im egg*arten, was sehr gut zu dem verwunschenen Ort mit seinem morbiden Charme passt.
Macht weiter so, künstlerische Kreativität in der grünen Oase statt monotoner Wohnbebauung ist gefragt! Die Stadtgesellschaft, die Stadtnatur und das Stadtklima können davon nur profitieren.
Schämt euch ihr €ggarten-Zerstörer, die ihr glaubt, alles überplanen zu müssen, damit auch das letzte natürliche Grün in unserer Stadt unter Beton verschwindet!
Kunst braucht Raum …, denn Kunst ist eine der schönsten Möglichkeiten, der Ideenlosigkeit gegenüber Distanz zu wahren….