Es ist unüberhör- und sehbar Wahlkampfzeit. Ein angenehmer Wahlkampftermin in all dem schrillen Getöse fand am Freitag, den 1. September statt. Passend zur Jahreszeit hatten die Grünen-Landtagsabgeordneten Christian Hirneis und Benjamin Adjei, der auch die nächsten fünf Jahre den Stimmkreis 105 im Landtag als gewählter Direktkandidat vertreten möchte, auf einen Kartoffelacker kurz vor Ludwigsfeld geladen. Viele Bürger kamen nicht, vor allem keine Kinder. Schade, so hätten sie mal die Gelegenheit gehabt, wie früher gute Feldmochinger Kartoffeln ins Feuer zu halten.
Kartoffelfeuer klingt nach Lagerfeuerromantik, weckt Kindheitserinnerungen bei älteren Semestern, die einst im Herbst, als man zwar wieder zur Schule gehen musste, aber an den herrlich freien Nachmittagen mit den Freunden aus der Nachbarschaft auf den Stoppelfeldern seinen Drachen steigen ließ und nach dem Abernten der Kartoffelfelder mit dem zurückgelassenen Kartoffelkraut ein großes Feuer entzündete, in das man die Kartoffeln warf, die man beim „Nachklauben“ gefunden hatte. Geschmeckt haben die verkohlten Kartoffeln dann nach Freiheit, nach Indiander-&-Cowboy, nach unbeschwerter Kindheit.
So schmeckt regionale Landwirtschaft
Heute ist vieles anders. Adjei musste das kleine Kartoffelfeuer wie die Versammlung rechtzeitig anmelden beim KVR und der Münchner Branddirektion. Auch waren die Kartoffeln der Sorte Annabelle vorgegart. (Verbrannte Kartoffeln schmecken halt doch nicht so gut!) Wäre auch schade gewesen um die schmackhaften Zech-Kartoffeln, die Hirneis’ Frau, selbst vom Bauernhof stammend, schon mal zu den 5 % der besten Kartoffeln der Welt zählte! Martin Zech, einer der Gründungsväter der Münchner Bauern Genossenschaft, der an diesem Spätnachmittag seinen Kartoffelacker zur Verfügung stellte, berichtete, dass die hochwertigen regionalen Kartoffeln aufgrund der kurzen Wege nicht nur nachhaltiger produziert und schneller bei den Verbrauchern auf den Tellern landete, weshalb man sie auch nicht chemisch behandeln müsse wie etwa die ägyptischen Kartoffeln. (Eh ein ökologischer Irrsinn, in einem sehr trockenen Land wasserbedürftige Kartoffeln anzubauen!)
Diese regionalen Kartoffeln, seit Jahrhunderten auf die hiesigen Böden angepasst, hätten auch einen hervorragenden Geschmack. Würden hingegen die Anbauflächen wegfallen, weil sie der Wohnbebauung zugeführt würden, gebe es keine Direktvermarktung, keine Hofläden und keine Versorgung mehr mit regionalen Lebensmitteln. Zu bedenken sei auch, dass die hiesigen Bauern ihre B-Ware zu den Münchner Tafeln liefern sowie zur Clarissa- und Michael-Käfer-Stiftung, die sich mit viel Herz für ältere, hilfsbedürftige Menschen in München engagiere. Auch das würde dann wegfallen, denn Dachauer Bauern etwa bringen natürlich ihre Produkte zu Dachauer Tafeln.
Um sich von der Qualität der hiesigen Landwirtschaft einen eigenen sinnlichen Eindruck zu machen, durften die Anwesenden, unter ihnen einige BA-Mitglieder sowie der neue Grünen-Stadtrat und stellvertretender BA-24-Vorsitzender Balidemaj Delija, selbst eine Gabel in die Hand nehmen und Kartoffeln der festkochenden Sorte „Allians“ aus dem ertragreichen Feldmochinger Boden holen. Ein solcher Acker von 100 mal 100 m Größe erbringt, so Martin Zech stolz, an die 40.000 kg Kartoffeln Ertrag!
Bernd meint
Und noch eins zu „in einer Großstadt mit Infrastruktur (z. B. ÖPNV) und kurzen Wegen“:
Ihnen ist anscheinend nicht bewusst, dass die Münchner Verkehrsinfrastruktur bereits jetzt an ihre Grenzen gelangt ist? Und dass der PKW-Verkehr immens gestiegen ist. Ganz abgesehen davon, dass jeder Quadratmillimeter zugeparkt ist. München ist auch jetzt schon die Stau-Hauptstadt. Es gibt so viele negative Auswirkungen des Bauwahns, dass das zu erklären hier den Rahmen sprengen würde. Sie müssten es doch selbst spüren? Gerade die strukturell benachteiligten Gebiete im Land sollten vorangebracht werden, dann hätten wir die ganze Problematik nicht. „Gleichwertige Lebensbedingungen“ – so steht es im Gesetz. Und davon sind wir meilenweit entfernt. In Deutschland stehen 2 Millionen Wohnungen leer! Und glauben Sie im ernst, dass in München nur mit dem ÖPNV und nicht mit dem Auto gefahren wird? Wieviele Pendler wären froh, wenn ihr Arbeitsplatz nicht in München wäre und sie nicht gezwungen wären, jeden Tag in’s Auto zu steigen? Da werden Ghettos wie Freiham gebaut – und wo ist Ihr beschriebener ÖPNV? Alles nicht schlüssig, was Sie schreiben, tut mir leid. Die Lebensqualität sinkt Jahr für Jahr…. Das können Sie nicht abstreiten.
Das sollte auch zu denken geben:
-Zubetonieren von Frischluftschneisen (weitere Versiegelung), die eine Stadt zur Durchlüftung braucht (Bsp. Eggarten)
-Mehr Hitzetote. Mehr Bebauung heißt auch immer höhere Temperaturen
-Überflutung des Oberlandes mit Ausflüglern. 250.000! Menschen mehr bis 2040 wollen auch in die Berge. Die Tegernseeer freuen sich schon, so wie bei Corona…. Und dazu das zusätzliche Verkehrsaufkommen.
-Gentriefizierung durch Zuzug von solventen Mitarbeitern (z.B.: BMW FIZ II, Apple, Google….)
-Kollabierender ÖPNV
-Mit weiter zunehmder Nachfrage immer noch teuerer Grund und Boden
-Vernichtung der Nahversorgung und von Existenzen. Die Münchner Gärtner, auch in Feldmoching, beliefern die Großmarkthalle und den Einzelhandel mit beträchtlichen Mengen von Produkten die vor der Haustür wachsen und auf Ihrem Tisch liegen.. Einfach mal morgens um 01:30 aufstehen und die LKWs sehen. Da fahren die nämlich schon los. Ihre „Kartoffel“-Philosophie greift nicht.
-Zunehmende Probleme mit Trink-, Grund- und Abwasser (s. Presseberichte dazu)
-Überflutungen bei Starkregen und damit einhergehend Einleitung von Fäkalien in die Isar, weil das Kanalsystem die Mengen nicht verkraftet (Können Sie auch jetzt schon nachlesen)..
-Vernichtung von Grünflächen
-Soziale Konflikte durch Ghettobildung und enorme Dichte
-zunehmender Pendelverkehr
-Sinkende Lebensqualität
– und, und, und…..
Und wenn dann alles zugebaut ist? Da würde mich interessieren, welche Lösungsansätze Sie dann haben. Kommen Sie mir nicht mit Eingemeindung, das will außenrum keiner! Die „zukünftige Feldmochinger Generationen“ tun mir jetzt schon leid, bei dem was derzeit geschieht und was diese dadurch zu ertragen haben.
Jimi meint
Die Wahlkampf-Veranstaltung mit dem Kartoffelfeuer sollte zeigen, wie umweltbewusst und regional die Grünen handeln. In Wirklichkeit betoniert die einstige Umweltschutz- und Friedespartei den Münchner Norden zu. Sie befürworten die SEM-Nord und Nordost, sind für die massive Bebauung von Ludwigsfeld und dem Lerchenauer Feld und sie sind auch für die Zerstörung der Naturoase Eggarten mit ihrer hohen Artenvielfalt und dem alten Baumbestand.
Wie das Zubetonieren von Natur- und Ackerflächen aussieht, kann man aktuell bei der Bebauung Hochmuttinger Straße in Feldmoching mitansehen. Der von der Stadt München 2019 ausgerufene Klimanotstand ist bedeutungslos.
Nina meint
Bei Spaziergängen durch den Eggarten sind mir vor dem Abriss ein paar schön hergerichtete Häuser und Gärten aufgefallen. Genauso zugemüllte Häuser und verwahrloste Gärten, wie sie in München sonst fast nicht zu finden sind. Wie vermüllt manche Häuser waren, ist erst beim Abriss aufgefallen.
Schöne Natur mit großer Artenvielfalt und altem Baumbestand gibt es z.B. im nördlichen Teil des Englischen Gartens oder jenseits der Münchner Stadtgrenze zu genüge. Dem Eggarten trauere ich in dieser Hinsicht nicht nach. Das Wohnungsproblem auch für zukünftige Generationen zu lösen ist wichtiger, da darf man nicht egoistisch sein.
Michi meint
„Schöne Natur“ zum Anschauen? Das ist, glaube ich, ein beschränkter Ansatz. Wir müssen aufhören, die Natur als Verfügungsmasse zu ihrer Beherrschung durch die Menschen zu behandeln. So wie technokratisch mit ihr umgegangen wurde und wird, entsteht großer Schaden, der nicht wieder gut zu machen ist. Ständig „Kompromisse“ zulasten der Natur im Namen höherer Zwecke, weil das ja das einfachste ist. Noch immer Versiegeln statt Entsiegeln, Wegnehmen statt Zurückgeben…
Schutz der Natur kann ich nicht als „Egoismus“ erkennen. Wir haben tatsächlich ein Egoismus-Problem und das sehe ich bei den Superreichen und dem besser gestellten Mittelstand zuhause, die nur auf ihren Besitzstand schauen und mit Ellenbogen um ihre Privilegien kämpfen und arrogant im Übermaß konsumieren. Denen sind doch die Wohnungslosen völlig egal. Für die muss man etwas tun, aber im Einklang mit der Natur und unter Verzicht an anderer Stelle!
Jimi meint
Der Eggarten mit seiner Klimaschutzfunktion wird von den Eigentümern einer gezielten Verwahrlosung unterzogen, um die Akzeptanz der Zerstörung der Naturoase zu erhöhen. Dementsprechend gibt es hier auch Vermüllung und Vandalismus, leider.
Die Route des Kulturgeschichtspfades von Feldmoching-Hasenbergl führt durch das historische Siedlungsgebiet. Die Führungen, Austellungen und Vorträge sind interessant und werden gut angenommen.
Die Artenvielfalt und der alte Baumbestand müssten in Klimanotstandszeiten auch im Eggarten geschützt werden.
Die begonnene Klimakatastrophe auch für zukünftige Generationen erträglich zu gestalten, dieses Ziel ist wichtiger, da darf man nicht egoistisch sein.
Das Totschlagargument wir brauchen aber Wohnraum hat hier Vorrang vor Umwelt- und Klimaschutz.
Dass Wohnraum benötigt wird, ist verständlich, aber der wenig vorhandene Lebensraum, den wir in unserer am meisten versiegelten Großstadt noch haben, Naherholungsgebiete und Grünflächen, diese sollten nicht der Bauwut in München geopfert werden.
Der Eggarten ist ein Beispiel dafür, wie in unserer kapitalistischen Gesellschaft Greenwashing und Social-Washing mit Unterstützung der Stadtregierung und den mit ins Boot geholten Genossenschaften betrieben wird.
Die große Mehrheit im Stadtbezirk lehnt die geplante Bebauung ab! Wir haben einen Demokratieabbau, da werden Bürgermeinungen einfach ignoriert.
Sehen und hören Sie sich das Capriccio-Video zum Eggarten mit Christian Hirneis (einem echten Grünen!) und Dr. R. Bauer (Ex-SPD-Stadtrat) an, mit seinem Vergleich Eggarten vs. Englischer Garten:
https://www.facebook.com/watch/?v=2096243580418008
und lesen Sie dazu: http://www.moloch-muenchen.de/lexikon/eggarten ,
mit einer Bildergalerie zum Anschauen am Ende. Dann bekommt man einen Einblick, wie einseitige Stadtentwicklung mit Lobbyisten betrieben wird.
Rieli meint
Liebe Nina,
falls du mit Deinem Beitrag keine wirtschaftlichen Interessen verfolgst, möchte ich zu bedenken geben, dass in Zukunft der städtische Flächenverbrauch immer weitergehen wird, so lange Sozialwohnungen aus der Bindung fallen und dann wieder an Investoren verkauft werden. Meiner Meinung nach müssten diese Wohnungen immer in öffentlicher Hand bleiben und die Landeshauptstadt ihr Vorkaufsrecht von staatlichen Wohnungen wahrnehmen. Zum Thema Vermüllung möchte ich mich Jimi anschließen. Vor Kündigung der Mietverhältnisse war es aus eigener Erfahrung heraus nahezu in jedem Haus ordentlich. Selbst die DB als „Alteigentümer“ kümmerte sich um den Erhalt der Wege und Beseitigung von widerrechtlichen Ablagerungen.
Der Englische Garten und eine „schöne Natur jenseits der Stadtgrenzen“ lassen München immer noch als die Stadt mit den wenigsten Bäumen Deutschlands bleiben.
Hausundhofumanddepp meint
Wenn man den Bericht so liest, könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass es sich mehr um eine PR-Aktion der Münchner Bauerngenossenschaft und der Fa. Zech handelte, als um eine Wahlkampfveranstaltung der Grünen. Und natürlich nur B-Ware für Bedürftige. Ohne Worte.
Ansonsten wars wohl recht idyllisch.
Wolfgang meint
ihr Nicknahme sagt ja schon alles aus …
Sie können sicherlich bei den Bauern A-Ware käuflich erwerben und den Bedürftigen zur Verfügung stellen.
B-Ware zeichnet sich normalerweise dadurch aus, das sie der vom Handel geforderten Größe und Form nicht entsprechen da sie vom Kunden (also z. B von Ihnen) nicht gekauft werden. Qualitativ und geschmacklich sind sie nicht zu unterscheiden.
Bernd meint
Nomen est omen. Also B-Ware wegwerfen und keinem mehr zu Wahlkampfzwecken was zur Verfügung stellen. Merkwürdige Denkweise.
Nina meint
Wenn die Nutzer der Münchner Tafeln oder der Clarissa- und Michael-Käfer-Stiftung entscheiden könnten, ob ihnen mehr Sozialwohnungen oder Feldmochinger Kartoffeln wichtig sind, hätten viele Kartoffeläcker in München keine Zukunft.
Bernd meint
Dann sollen die Äcker Ihrer Meinung nach zubetoniert werden. Sehr sinnreich. Vor allem im Hinblick darauf, dass das nur den Zuzug noch mehr ankurbelt und das Sozialwohnungsproblem in keiner Weise behebt.
Nina meint
Wichtig ist doch vor allem, dass auch zukünftige Feldmochinger Generationen Wohnraum zu bezahlbaren Preisen finden. Ob die Kartoffel von hier oder von 50 km weiter kommen, macht für die meisten Menschen keinen Unterscheid, geschmacklich sowieso nicht.
Alleine der Bau neuer Wohnungen sorgt nicht für Zuzug, schon gar nicht für sozial Schwächere. Attraktive Arbeitsplätze hingegen schon. Wenn die nun in einer Großstadt mit Infrastruktur (z. B. ÖPNV) und kurzen Wegen enstehen, ist es umweltfreundlicher als auf dem Land. Dort ist der Flächenverbrauch pro Einwohner wegen der günstigeren Grundstückspreise deutlich höher und die meisten Wegstrecken müssen per PKW zurückgelegt werden.
Die allermeisten Metropolen auf der Welt wachsen. Wem das nicht gefällt, der kann ja aufs Land ziehen und auf die Großstadtinfrastruktur verzichten.
Bernd meint
Wohin soll denn München wachsen? Das Stadtgebiet ist begrenzt und in kurzer Zeit ist alles zugebaut. Und dann? Dann steigen die Mieten in’s Unermessliche und die Lebensqualität erreicht Ihren Tiefpunkt. München ist ohnehin schon die am stärksten versiegelte Stadt in der Republik. Haben Sie sich eigentlich schon mal Gedanken gemacht, warum München so stark wächst? Ist es politisch gewollt? Nach meiner Ansich ja und es wird befeuert, mit allen negativen Folgen, die mit den ideologischen Scheuklappen nicht gesehen werden. Und ja, je mehr gebaut wird, desto mehr Menschen kommen. Für die Münchener selbst entsteht keine Wohnung.
Bernd meint
P.S.: Hören Sie sich mal einen Vortrag von Christian Hierneis (Grüne) dazu an. Dann gehen Ihnen die Augen auf!
Jimi meint
Antwort an Nina:
Die amtl. Einwohnerzahl Deutschlands liegt – Stand 2022 – bei 84,4 Mio., wird bis 2031 moderat auf 85 Mio. Einwohner anwachsen und danach bis 2070 auf 83 Mio. zurückgehen. Deutschlandweit haben wir seit Jahren einen Bauüberschuss! Es ist eine Frage der Verteilung. Prosperierende Städte und abgehängte ländliche Regionen solls das sein? In München wird der Zuzug gefördert, das ist erkennbar. Attraktive Arbeitsplätze gibt es schon genügend: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Isar_Valley&stableid=236328476 Die Probleme, die wir haben, sind überwiegend hausgemacht: http://www.muenchenwiki.de/wiki/Moloch_München .
Eine SEM mit über 10.000 neuen Arbeitsplätzen und als die dann größte Wohnungsbau-Maßnahme in Europa (!), sowas brauchen wir nicht!
Die Verkehrsinfrastruktur z. B. hinkt dem aktuellen Einwohnerstand Münchnes bereits hinterher. Wir sind Stau-Stadt Nr. 1 im Städtevergleich und die Lebensqualität und Attraktivität wird sich auch nicht verbessern. Usw….