Sollte die Kirche Künstliche Intelligenz (KI) verwenden und sollte sie sich in die Diskussion um den ethisch richtigen Einsatz von KI einbringen? Zu diesen Fragen trafen sich am Sonntag, den 13. August in der Bethanienkirche Profis und Laien sowohl von kirchlicher Seite als auch aus Informatik und Politik.
In der Andacht wurde zunächst die für die Kirche essenzielle Bedeutung des Wortes adressiert: von der Schöpfung „Im Anfang war das Wort“ über Predigten bis hin zur richtigen Wortwahl bei der individuellen Ansprache von Einzelpersonen in unterschiedlichen Lebenssituationen. Worte sind wirkmächtig, beeinflussen unsere Realität und schon Goethe übersetzt das oben genannte Bibelwort in Faust I mit „Im Anfang war die Tat“.
Mit PC und Beamer KI in die Kirche geholt
Anhand von Beispielen wurde gezeigt, dass Computerprogramme heute nicht nur vorhandene Texte und Bilder im Internet suchen können, sondern dass damit weitgehend neue erstellt werden. So listete die KI zehn Gründe für aktuelle Kirchenaustritte realistisch auf und konnte diese nach psychologischen Aspekten sortieren. Auch bei der Aufgabe, motivierende Texte für den Verbleib in der Kirche zu schreiben, konnte die KI erstaunlich gut formulieren und Zielgruppen differenzieren, die der Kirche gegenüber eher positiv oder eher kritisch eingestellt sind. KI macht aber auch Fehler und ist unzulässig im Einsatz. Im letzten Beispiel wurde eine nicht kirchenkonforme Antwort von Chat GPT, anhand eines kleinen „deep fake“ vorgestellt. Der Vertrauensmann der Kirchengemeinde Dr. Johannes Staeves hatte ein Foto von sich mit Hilfe einer KI zu einem Video verarbeiten lassen, in dem er eine KI-generierte Aussage ausspricht und angeblich die KI mit der Allmacht Gottes vergleicht.
Hohe Erwartungen, große Befürchtungen
In seinem Impulsvortrag arbeitete Professor Thomas Zeilinger, der Beauftragte der Evangelischen Landeskirche für Ethik im Dialog mit Technologie und Naturwissenschaft, heraus, dass rund um die Diskussion zu KI zurzeit viele Mythen produziert werden. Auf der einen Seite entstehen überzogene Erwartungen und unnötige Befürchtungen. Auf Basis eines Rückblicks auf die Entwicklungsgeschichte der KI wird klar, dass der aktuellen Aufmerksamkeit zum Thema KI bereits Wellenbewegungen mit sogenannten „KI-Wintern“ und „KI-Hypes“ vorausgegangen sind. Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen, Tagungen und Konferenzen zeigen, dass auch jetzt realistische Einschätzungen der Chancen und Risiken von KI in vielen Anwendungsbereichen schwierig sind. Auf der anderen Seite bieten aktuelle Entwicklungen der KI in bestimmten Bereichen realistische Potenziale, die es jetzt zu konkretisieren gelte.
Es fehlen klare Regeln
In der anschließenden Diskussion waren sich die Teilnehmer schnell einig, dass KI alle betrifft. Heute nutzen wir Computerprogramme, die auf Basis künstlicher Intelligenz Worte und Informationen anhand persönlicher Interessen aussuchen und uns zum Beispiel Werbung, Social-media-Timelines oder Videoclips vorschlagen. Ohne dieses Vorsortieren wäre die Informationsflut nicht zu bewältigen. Manchmal ist es auch einfach bequem und man denkt über mögliche Konsequenzen wie beim „Wegklicken“ der Datenschutzerklärung nicht genauer nach.
Hinzu kommt, dass Laien die schnelle Entwicklung, die komplexen Wechselwirkungen und intransparenten Geschäftsmodelle gar nicht ausreichend beurteilen können. Es fehlen klare und leicht verständliche Regeln und Kriterien, wer wie weit beeinflussen darf, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Es fehlt ein gesellschaftlicher Konsens, wie es der Deutsche Ethikrat formuliert, wo KI menschliches Handeln ersetzen darf, wo sie dieses erweitern kann, welche Aufgaben man an KI delegieren darf und wo Risiken bestehen, dass menschliche Fähigkeiten vermindert werden. Und es gibt schon heute negative Auswirkungen wie Wahlmanipulationen, Desinformationen etwa im Ukraine-Krieg und verstärkt Depressionen bei Jugendlichen.
Kirche soll sich in KI-Diskussion einbringen
Der Landtagsabgeordnete Benjamin Adjei, der sich bereits im Studium mit KI beschäftigt hat, erläuterte die Herausforderungen aus Sicht der Politik. Auf die hohe Entwicklungsgeschwindigkeit der KI muss sie mit angemessenen Gesetzen rechtzeitig reagieren. Prozesse zur demokratischen Meinungsbildung und insbesondere zum Einbinden und Mitnehmen der Bevölkerung brauchen jedoch Zeit. Die Prozesse in der Kirche ebenfalls. Dennoch schätzt er eine Diskussion zu KI in der Kirche als wertvollen Beitrag zur Meinungsbildung, denn bisher seien in den politischen und gesetzgebenden Diskussionen eher wirtschaftliche Interessen vertreten. Eine deutlich hörbare an ethischen Werten orientierte Position der Kirche würde hier bereichern.
Bis diese Empfehlungen und Gesetze greifen, ist zunächst aber noch jeder Einzelne gefordert, sich eine eigene Beurteilungs- und Medienkompetenz zu erarbeiten. Die Diskussionsrunde war sich auch einig, dass KI zum Beispiel in der Schule einfach zu verbieten, keine Lösung ist. Im Gegenteil, Kinder wie Erwachsene sollten den sinnvollen Umgang mit KI lernen. Und: jeder Einzelne ist willkommen, sich mit seinen Vorstellungen und Erfahrungen in die Gestaltung der Regeln für die Zukunft mit KI einzubringen.
Auch Goethes Faust hat gründlich überlegt und eine Weile gebraucht, bis er für das einführend genannte Bibelzitat die für ihn passende Übersetzung fand. Wenn wir jetzt mehr und mehr Computer nutzen, um für uns die richtigen Worte zu finden, dann sollten wir das angesichts der Macht der Worte mit Sorgfalt aber auch schnell tun. Oder um ein anderes Zitat von Goethe zu interpretieren, dass die Geister, die wir mit KI gerade rufen, uns wirklich nützlich sind.
Von der Organspende bis zu den sozialen Medien
Das nächste „Kirchencafé“ findet unter dem neuen Namen „Spirited“ am Sonntag, den 24. September um 18 Uhr wieder in der Bethanienkirche statt, dann zum Thema „Organspende – Nächstenliebe über den Tod hinaus“. Am 29. Oktober um 15 Uhr ist dann wieder ein „digitales“ Thema mit dem Titel „Kirche und soziale Medien – nicht nur Gott sieht alles“ geplant. Herzliche Einladung dazu! Johannes Staeves
ReinerF meint
Ah, ich glaube zu verstehen. Unseren Kirchen scheinen die Instrumente und die Argumente für die christliche Glaubensüberrmittlung bzw. die Mission abhanden gekommen zu sein. Nun kommt der große Hammer mit KI (künstliche Intelligenz), Computerprogrammen, Geschäftsmodellen und weiterem Zeugs, um damit wohl das menschliche Handeln und womöglich die menschliche Intelligenz ersetzen zu wollen. Ich fasse es nicht. Was ist denn nun den sich am Ende fühlenden Kirchenführern wieder Neues eingefallen? Der technisch-elektronische Neuanfang?
Am Anfang und am Ende steht das Wort!!
Macht nicht noch mehr kaputt in unseren Kirchen und unter den verbliebenen Gläubigen. Die schleichende Entfremdung ist auch mit modernster Technik nicht aufzuhalten. Unsere Kirchenlehren, unsere Bischöfe, Pfarrer und Priester müssen ganz einfach auf den Stand der „Neuen Zeit“ gebracht werden. Unsere schönen Kirchen und ihre Ausstattungen und sonstiges Irdische dürfen dagegen gern unverändert bleiben.
Dazu sind dann doch wohl noch weitere Denkprozesse vonnöten.