Es muss gebaut werden. Sagt zumindest das Pestel-Institut, das auf Forschung zu regionalen Wohnungsmärkten spezialisiert ist. Bis 2028 braucht München danach pro Jahr rund 11.900 neue Wohnungen. Diese Wohnungsbau-Prognose für die kommenden vier Jahre hat das Pestel-Institut in einer aktuellen Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt ermittelt.
„Der Neubau ist notwendig, um das bestehende Defizit – immerhin fehlen in München aktuell rund 10.500 Wohnungen – abzubauen: Aber auch, um abgewohnte Wohnungen in alten Häusern nach und nach zu ersetzen. Hier geht es insbesondere um Nachkriegsbauten, bei denen sich eine Sanierung nicht mehr lohnt“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut. An dem Wohnungsbedarf in München ändere auch die Zahl leerstehender Wohnungen nichts: Der aktuelle Zensus registriert für München immerhin rund 22.400 Wohnungen, die nicht genutzt werden, so das Pestel-Institut. Das seien 2,7 % des gesamten Wohnungsbestands in der Stadt. Ein Großteil davon – nämlich rund 7.060 Wohnungen – stehe jedoch schon seit einem Jahr oder länger leer. „Das sind immerhin rund 32 % vom Leerstand. Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden“, sagt Matthias Günther.
Grundsätzlich sei ein gewisser Wohnungsleerstand aber immer auch notwendig. „Rund 3 % aller Wohnungen, in die sofort jemand einziehen kann, sollten frei sein. Schon allein, um einen Puffer zu haben, damit Umzüge reibungslos laufen können. Und natürlich, um Sanierungen überhaupt machen zu können. Aber es wird nur selten gelingen, Wohnungen, die lange leer stehen, wieder zu aktivieren und an den Markt zu bringen“, so das Fazit von Matthias Günther.
Denn viele Hauseigentümer halten sich nach Beobachtungen des Pestel-Instituts mit einer Sanierung zurück: „In ihren Augen ist eine Sanierung oft auch ein Wagnis. Sie sind verunsichert. Sie wissen nicht, welche Vorschriften – zum Beispiel bei Klimaschutz-Auflagen – wann kommen. Es fehlt einfach die politische Verlässlichkeit. Ein Hin und Her wie beim Heizungsgesetz darf es nicht mehr geben“, kritisiert der Leiter des Pestel-Instituts.
Außerdem hapere es bei vielen auch am nötigen Geld für eine Sanierung.
Weitere Gründe, warum leerstehende Wohnungen nicht vermietet werden: „Immer wieder kommt bei Erbstreitigkeiten kein Mietvertrag zustande. Und oft scheuen sich Hauseigentümer auch, sich einen Mieter ins eigene Haus zu holen, mit dem sie sich am Ende vielleicht nicht verstehen“, sagt Matthias Günther. Für ihn steht deshalb fest: „Am Neubau von Wohnungen führt daher auch in München kein Weg vorbei.“
Das Pestel-Institut hat die Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) durchgeführt. Für dessen Präsidentin macht die Untersuchung eines deutlich: „Es ist eine Milchmädchenrechnung, die leerstehenden Wohnungen gegen den aktuellen Bedarf an Wohnungen gegenzurechnen. Das funktioniert so nicht. Politiker, die das gerade versuchen, betreiben Augenwischerei“, sagt Katharina Metzger. Sie erteilt damit der Aufforderung von Klara Geywitz (SPD) eine klare Absage. Die Bundesbauministerin hatte zuletzt den Menschen, die eine Wohnung suchen, geraten, aufs Land zu ziehen.
Für die Verbandschefin vom Baustoff-Fachhandel steht fest: „Der Wohnungsbau ist auch in München das Bohren dicker Bretter.“ Um voranzukommen, fordert Metzger, die Baustandards zu senken: „Einfacher bauen – und damit günstiger bauen. Das geht, ohne dass der Wohnkomfort darunter leidet. Andernfalls baut bald keiner mehr.“ Es müsse ein „starkes Abspecken“ bei Normen und Auflagen geben – im Bund, bei den Ländern und Kommunen. Katharina Metzger warnt: „Am Ende stoppen überzogene Förderkriterien, Normen und Auflagen den Neubau von Wohnungen – von hoch geschraubten Klimaschutzmaßnahmen, ohne die es keine Förderung gibt, bis zu Stellplätzen, ohne die erst gar nicht gebaut werden darf.“
Scharfe Kritik richtet Metzger an den Bund: „Es passiert zu wenig. Und was jetzt passiert, kommt zu spät. Wer 400.000 Neubauwohnungen – darunter 100.000 neu gebaute Sozialwohnungen – im Wahlkampf verspricht und im Koalitionsvertrag festschreibt, der darf nicht erst ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl wach werden.“
Ohne eine deutlich stärkere staatliche Unterstützung würden weder der notwendige Neubau noch die Sanierungen von Wohnungen im erforderlichen Umfang gelingen. Außerdem kritisiert Metzger gemeinsam mit den Wissenschaftlern vom Pestel-Institut den geplanten Bundeshaushalt für 2025: Darin fehlten dringend notwendige Fördermittel für den Wohnungsneubau – allen voran für den sozialen Wohnungsbau. Der benötigt nach Berechnungen des Pestel-Instituts mindestens 12 Milliarden Euro pro Jahr von Bund und Ländern. Der Bund stelle für 2025 jedoch lediglich 3,5 Milliarden Euro bereit.
Auch die Perspektive sei schlecht: Bis 2028 wolle die Bundesregierung Sozialwohnungen mit weniger als 22 Milliarden fördern. „Das reicht hinten und vorne nicht. Und es ist ein willkürlich gegriffener Zeitraum, um eine vermeintlich hohe Milliardensumme in den Raum zu stellen. Doch die Wahrheit dahinter ist: Der soziale Wohnungsbau wird bei dieser Bundesregierung auch weiter auf der Strecke bleiben. Das müssen die Menschen den heimischen Bundestagsabgeordneten in München jetzt klarmachen. Nur wenn es massiven Druck vor Ort gibt, werden diese und die kommende Bundesregierung begreifen, wie ernst die Lage ist“, sagt Katharina Metzger. Aktuell erlebe die Wohnungsbau-Branche „einen regelrechten Absturz“. Viele Unternehmen hätten bereits Kapazitäten abbauen müssen. „Die Neubau-Zahlen gehen in den Keller. Mauerstein-Hersteller zum Beispiel schließen Werke. Die Entlassungswelle rollt: Der Bau verliert Beschäftigte – darunter gute Fachkräfte. Dabei ist das das Letzte, was sich Deutschland jetzt erlauben darf“, so Katharina Metzger. Die Verbandspräsidentin des Baustoff-Fachhandels warnt gemeinsam mit dem Pestel-Institut vor einer „Absturz-Spirale beim Wohnungsneubau“. Die Situation sei fatal: „Wohnungsnot trifft auf Nicht-Wohnungsbau. Diese toxische Entwicklung muss dringend gestoppt werden.“ Denn Wohnungsmangel schaffe soziale Spannungen. „Wenn sich Menschen wochen- und monatelang um eine neue Wohnung kümmern müssen, dann braut sich da etwas zusammen. Das ist Gift für das soziale Miteinander in der Gesellschaft“, so Katharina Metzger.
Sonja Sachsinger meint
Neulich, in einer Quiz-Sendung im ZDF (Quiz-Champion a, 14.8.24), sagte ein Kandidat (Wigald Boning) „in München, da leben doch die Menschen so eingepfercht…“
Was sich in Deutschland mittlerweile herumgesprochen hat – schließlich leben in München-Stadt etwa so viel Menschen wie in ganz Mecklenburg-Vorpommern – will unsere Stadtregierung nicht wahrhaben: „Einfach eine Mauer um die Stadt ziehen ist …rückwärtsgewandt…für eine Weltstadt absolut schädlich…“ – dieser Ausspruch eines Stadtpolitikers ist so abgedroschen wie falsch.
Es geht nicht um eine Mauer, es geht um verantwortungsvolle Politik. Angesichts der zunehmenden Hitze durch immer mehr Beton und immer weniger Grün, der endlosen Staus auf den Straßen und der schlechten Luft, ist es angebracht, das grenzenlose Wachstum der Stadt kritisch zu hinterfragen. Dass durch Bauen, Bauen, Bauen die Mieten keineswegs billiger geworden sind, hat nun auch bald jeder festgestellt, denn je knapper der Baugrund, umso höher die Bodenpreise, also auch das Bauen.
Mit Schielen auf die Gewerbesteuer setzt sich unsere Stadtregierung jedoch mit viel Energie dafür ein, dass sich immer mehr Firmen und start-ups ansiedeln und immer mehr junge Menschen zur Ausbildung nach München ziehen: die Universitäten werden ständig erweitert, Büroräume gebaut und auf Immobilienmessen für München geworben. Mit den Einnahmen steigen allerdings auch die Schulden, denn Wachstum heißt auch Ausgaben für Infrastruktur, Kitas, Schulen, immer mehr Personal usw..
Man könnte anderen Städten diesbezüglich auch etwas gönnen. 2 Millionen Wohnungen stehen leer in Deutschland. Die Dunkelziffer ist wohl noch größer. Durch eine vernünftige Strukturpolitik (Aufwertung des ländlichen Raumes, Kulturförderung, Ausbau der Infrastruktur usw.) und finanzielle Anreize für Firmenansiedlung könnte man Arbeitsplätze dort schaffen, wo Wohnen günstig ist.
Die Stadt allein kann das nicht schaffen. Hier sind v.a. der Bund und das Land gefragt.
Irene Gronegger / Maxvorstadtblog meint
Das ist PR und Lobbyismus im Auftrag des Baustoffhandels, der ja auch als Auftraggeber erwähnt ist. Vermutlich beruht da einiges auf den Wunsch-Prognosen der Stadtverwaltung (Wirtschafts- und Planungsreferat) zum Wirtschaftswachstum, vielleicht hat auch die IHK etwas beigesteuert.
Man könnte natürlich auch wissenschaftlich unabhängige Modellrechnungen machen. Aber deren Ergebnis hängt auch immer von den ins Modell eingespeisten Daten und Annahmen ab. Es ist ja nicht fix, welche Firmen noch nach München geholt werden, wie hoch in Neubaugebieten der Gewerbe-Anteil sein wird, welche Stadträte gar eigene Bürohochhäuser planen … Das sind alles Entscheidungen und keine Sachzwänge.
(Auch die Klimaforschung hat unterschiedliche Szenarien parat, die davon abhängen, wie sich die Menschheit in Zukunft verhalten wird – auch beim Bauen übrigens. Die Bauwirtschaft ist derzeit die größte CO2-Quelle.)
Bei den „abgewohnten“ Häusern aus der Nachkriegszeit könnte man auch genauer schauen. Sicher ist manches Schwarzbau-Häuschen aus den späten Vierzigern von etwas windiger Qualität und wird irgendwann sowieso von vielen Eigentümern durch einen besseren Bau ersetzt werden (auch ohne Lobby-Studie). Aber ein Großteil des Wiederaufbaus aus den Fünfzigern ist heute saniert, zum Beispiel hier in der dicht bebauten Maxvorstadt.