Man spaziere nur einmal die Lerchenstr. gen Osten zur Bahnüberführung hin. Dort werden rechter Hand momentan mehrere neue Mehrfamilien- und Reihenhäuser auf drei Grundstücken errichtet. Nicht nur die schöne Jugendstilvilla, Reminiszenz hochherrschaftlicher Vergangenheit, verschwindet hinter simplen Zweckbauten. Der Charakter des ganzen Straßenabschnitts verändert sich: Steine statt Bäume, Enge statt Weite.
Neue Bauvorhaben verändern die Siedlungsstruktur
Im Zuge der Verwertung letzter Reserven steht auch östlich der Bahn auf den Wiesen, die sich heute noch zwischen der Rahein- und der Morigglstr. erstrecken, ein größeres Bauvorhaben an. Die Grundstücke, früher, wie sich ältere Feldmochinger erinnern, im Besitz der Bahn, heute in Händen der Stadt München, sollen bebaut werden. Das erfuhren die überraschten Anwohner kurz vor Weihnachten durch ein Schreiben im Auftrag des Sozialreferats, „Amt für Migration und Wohnen“. Dem beiliegenden Plan konnten sie entnehmen, dass die Stadt zwischen Rahein- und Leberlestr. im „geförderten Wohnungsbau“ vier Häuser mit insgesamt 17 bis 24 Wohnungen bauen möchte. Auf den anderen Grundstücken sollen, so zumindest sieht es die Bauvoranfrage vor, in freier Trägerschaft Doppel- oder Mehrfamilienhäuser samt Tiefgarage errichtet werden. (Einzige Ausnahme: der Grundstücksstreifen östlich der Leberlestr. (Flurnummern 1681/22 und 1881/21), der derzeit noch verpachtet ist. Was damit geschehen soll, ließ sich nicht ermitteln. Für ein eventuelles Altenservice-Zentrum, wie man in der Nachbarschaft munkelt, wird er jedenfalls nicht frei gehalten.)
Dass sich die angedachten Häuser – zumindest derzeit – in Größe und Optik der Bestandsbebauung anpassen und zudem locker angeordnet sind, nahmen die Anwohner positiv zur Kenntnis. Wenngleich sie der ländlichen Idylle mit Wiese vor der Haustür, Ruhe und freiem Blick schon jetzt nachtrauern. Dass diese Großzügigkeit ob des enormen Wohnungsbedarfs in München aber nicht mehr lange so währen kann, ist allen klar. Nur: Die „geförderte Wohnbebauung“ weckt Ängste. Werden wie an der Lerchenstr. 57 wieder Kompro-B-Wohnungen in Feldmoching entstehen, für „am Wohnungsmarkt benachteiligte Personen“, wie das Sozialreferat wohnungslose Personen elegant umschreibt? Was kommt damit auf die Nachbarschaft zu? Ein sozialer Brennpunkt? Darf man nachts als Frau noch alleine von der S-Bahn nach Hause gehen? Kinder alleine herumtollen lassen?
Sozialwohnungen in München dringend benötigt
Das Amt für Wohnen und Migration wiegelt ab: Derzeit laufe lediglich eine Baurechtsklärung bei der Lokalbaukommission, sagt die Pressestelle. Damit wolle man abklären, ob gebaut werden könne und wenn ja, mit welcher Nutzung: frei finanziert und/oder gefördert. Auch eine Kinderkrippe sei angefragt. Was letztlich konkret gebaut werde, könne man, so der Referatssprecher, beim derzeitigen Stand nicht sagen. Man habe schließlich noch kein Planungsstadium erreicht.
Andererseits, eine Bauvoranfrage ist Ausschnitt einer Baugenehmigung. Die in der Voranfrage geregelten Aspekte sind verbindlich. Und ist geförderter Wohnungsbau angefragt, da sind sich Kommunalpolitiker einig, wird der kommen. „Schließlich ist da gewaltiger Druck drinnen“, heißt es. Kein Wunder. 2010 wurden im Rahmen des kommunalen Wohnungsbauprogramms nur elf Kompro-B-Wohnungen fertig gestellt. 2011 war es gar keine Wohnung. Zwischen 2005 und 2010 sind laut Münchens Sozialreferentin Brigitte Maier insgesamt 550 Wohnungen für Wohnungslose entstanden. Angedacht sind eigentlich 150 Wohnungen pro Jahr. Demgegenüber stehen 9832 Vormerkungen von Bedürftigen, fast die Hälfte davon gilt als besonders dringlich. Der Bedarf an Sozialwohnungen ist in München also groß.
Doch die Stadt hat nur wenige geeignete Grundstücke, für die es oft eine konkurrierende Nutzungsoption gibt und bisweilen klagt auch ein Anwohner wie an der Freisinger Landstr. erfolgreich dagegen. Doch warum muss Feldmoching nach den 20 Kompro-B-Wohneinheiten an der Lerchenstr. 57, die voraussichtlich im November fertiggestellt werden, weiteren sozialen Wohnungsbau hinnehmen, fragt sich so mancher Anwohner. Schließlich droht vor der Haustüre, entlang der eh schon viel befahrenen Bahnstrecke, die neue Staatsstraße 2342 und mit der Verlegung der Polizei-Hubschrauberstaffel in Oberschleißheim und der dritten Startbahn wird es nicht ruhiger über Feldmoching. Kriegt der Münchner Norden alle „Negativeinrichtungen“ ab?
Laut Sozialreferat sollen die geförderten Projekte ausgewogen auf die Stadtteile verteilt werden. Eine Segregation in einem Viertel sei keinesfalls erwünscht. Statistisches Material, wie sich die Kompro-B-Wohnungen auf die Stadtbezirke verteilen, konnte uns das Referat allerdings nicht geben. Man arbeite an der Statistik, hieß es.
Das Sozialreferat geht übrigens davon aus, dass die Mitte Dezember 2011 gestellte Bauvoranfrage innerhalb von drei Monaten von der Lokalbaukommission beantwortet wird.
Georg Past meint
Zitat Anfang „Was kommt damit auf die Nachbarschaft zu? Ein sozialer Brennpunkt? Darf man nachts als Frau noch alleine von der S-Bahn nach Hause gehen? Kinder alleine herumtollen lassen?“ Zitat Ende.
Sehr schade, daß sich der Lokalanzeiger auf solches Niveau begibt. Mit billiger Polemik Ängste zu schüren ist billigster Boulevard Journalismus, der nur die Emotionen der Leser ansprechen will. Das hat mir journalistischer Seriosität absolut nichts mehr zu tun.
Es würde dem LA (insbesonders rer) gut stehen sich auf Information zu beschränken und Meinungsmache in den Hintergrund zu stellen.