Die vielen Neumünchner brauchen Wohnungen, die Alteingesessenen fürchten, dass durch die massive Verdichtung die Gartenstädte ihren grünen Charakter verlieren und das erhöhte Verkehrsaufkommen in den umliegenden Straßen die Lebensqualität beeinträchtigt.
Schon heute sieht man in Feldmoching und der Lerchenau viele Häuser dicht an dicht stehen, auf dass man sich gegenseitig in die Wohnungen sieht und man beim Tritt vor die Haustür fast überfahren wird vom Nachbarn, der auf dem Weg zu seinem Hammergrundstück in zweiter oder dritter Reihe direkt an der Haustreppe vorbeifährt. Optisch schön ist das nicht, man denke nur an die massive Verdichtung an der Lerchenstr. 59 kurz vor dem Bahnübergang. (Wer sich nicht mehr daran erinnert: In Google Maps sieht man noch das alte Häuschen, das früher dort, inmitten von viel Grün, stand). Da sind die scheußlich gelben Kompro-B-Häuser nebenan richtig „luftig“ angeordnet.
Stark bebaut wird demnächst auch ein Grundstück in der Lerchenau, an der Waldmeisterstr. 11. Nicht nur, dass entlang der Waldmeisterstr. ein bis zu 28,5 m langes, 12 m tiefes und 9,20 m hohes Wohngebäude entstehen soll. (In einem ersten Entwurf war dieses Gebäude sogar noch breiter ausgelegt!) Auf dem recht tiefen Grundstück sollen sechs weitere Häuser (13,5 x 13,5 x 9,20 m, alle Angaben laut Vorbescheid) versetzt bis in siebter Reihe gebaut werden. So werden rund 40 Mietwohnungen entstehen. Dabei stehen die Häuser im Innenverhältnis, argwöhnen zumindest die Anwohner, dermaßen eng beieinander, dass man bequem das Geschehen bei Nachbars wird verfolgen können. Laut Planungsreferat werden diese Abstände im Vorbescheid gar nicht abgeprüft und sind auch grundsätzlich nicht mehr im Prüfumfang eines Bauantrags enthalten.
Bei den Anliegern, meist in kleinen Ein- oder Zweifamilienhäusern wohnend, lösten die Bebauungspläne Ängste aus. Ein paar haben die Bauvoranfrage nicht unterschrieben. Doch können sie das Bauvorhaben, das ihrer Ansicht nach den Rahmen einer Gartenstadtbebauung sprengt, aufhalten? Oder zumindest dafür sorgen, dass weniger massiv gebaut wird?
Dies auszuloten war Ziel einer Versammlung, zu der rund 30 nähere und etwas fernere Anwohner kamen. Einig war man sich in der Einschätzung, dass „München bald an seiner Attraktivität ersticken wird und kleinteiliges Grün sowie Bäume immer mehr verschwinden“, wie Martin Schreck, Lerchenauer und reges Mitglied im „Bündnis Gartenstadt München“, es auf den Punkt brachte. Oberhalb der geplanten Tiefgarage für 40 Autos würden sich jedenfalls nicht, wie im Plan eingezeichnet, tief wurzelnden Bäume pflanzen lassen, maximal etwas Gebüsch.
§ 34 Baugesetzbuch: Ein Gummiparagraf bei Gartenstädten
Das Dilemma: Seitdem der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Gartenstadtsatzung gekippt hat, die eine Bebauung in Relation zur Grundstücksgröße festlegte, gilt § 34 des Baugesetzbuchs. Dabei wird nur noch beurteilt, ob sich das Bauvorhaben in die nähere Umgebung einfügt. Die verringerte Abstandsflächenregelung der 2008 geänderten Bayerischen Bauordnung trägt noch dazu bei, dass inzwischen jeder Investor das maximal Mögliche aus seinem Grundstück „herausholt“.
Münchens Planungsreferat muss sich an diese gesetzlichen Vorgaben halten, auch wenn der Bayerische Landtag immer wieder den Schwarzen Peter zurückschieben möchte, indem er meint, München habe doch die Planungshoheit und könne Spielräume ausloten, wie Schreck berichtete. Spielräume, die teuer werden können, wenn man den Prozess verliert, den ein „verhinderter“ Bauherr womöglich gegen die Behörde anstrengt.
Anwohner setzen auf Gesprächsbereitschaft des Bauherrn
Die Anwohner der Waldmeisterstr., wollten sie gegen das Bauvorhaben klagen, stehen vor dem gleichen Problem. Verlieren sie den Prozess, kommen schnell Schadensersatzforderungen auf sie zu. Von den Rechtsanwalts- und sonstigen Prozesskosten ganz abgesehen.
Ein bereits konsultierter Fachanwalt meinte, die Anwohner hätten nicht viele Chancen, aber es sei auch nicht ganz aussichtslos. Was also tun? Sich auf die Aussagen des Rechtsanwalts verlassen und den rechtlichen Weg beschreiten? Der Anwalt habe doch auch wirtschaftliche Interessen, gaben etliche Anwohner zu bedenken. Gegen den bereits positiv beschiedenen Vorbescheid können die Anwohner jedenfalls nicht mehr vorgehen. Die Frist ist verstrichen.
Letztlich einigte man sich darauf, erst einmal das Gespräch suchen zu wollen mit dem Bauherrn, ob das Bauvorhaben, bei allen wirtschaftlichen Interessen des Geschäftsmannes, nicht „etwas vernünftiger“ ausfallen könne. Denn man diskutierte an diesem Abend auch bauliche Alternativen, die einige ernsthafte Probleme mit dem Bauvorhaben lösen und die Baudichte vor allem für die Nachbarschaft tragbar machen würden, die bessere Renditen erzielen und langfristig größere Verkaufsmöglichkeiten bieten würden, meinten zumindest die Anlieger.
Stoppen, darüber waren sich alle klar, werde man das Bauvorhaben nicht können. Schließlich seien sie schon im August bei einem Besuch der Lokalbaukommission als Verlierer vom Platz gegangen, auch wenn damals einer der LBK-Mitarbeiter beim Anblick der liebevoll maßstabsgerecht gebauten Styropormodelle meinte: So groß habe er sich „des auch net vorgestellt“.
Damit der Abend nicht ganz so negativ ausklang, trug Ludwig Brandl, Münchner Mundartdichter, Lerchenauer seit vielen Jahrzehnten und Musiker der Feldmochinger Blaskapelle, ein Gedicht aus seiner Feder vor, passend zum Thema „Gartenstadt“ genannt.
Gartenstadt
München – diese Stadt von Welt,
setzt auf Wachstum und viel Geld.
Streng beäugt wird jede Lichtung,
ob geeignet zur Verdichtung.
Mit teurem Grund wird spekuliert,
Lebensstil ist deplatziert.
Breite, Hochbau, Expansion,
– Absorption als Perversion.
Mit attraktivem Herrschaftsnamen,
umschnürt durch grünen Bilderrahmen.
So dominiert – statt Baum und Gras,
die kühle Mauer – leichenblass.
Wo Zweitsitz-Rollos, tote Augen,
als Geldanlage mögen taugen.
Da bremst der Mensch abrupt am Zaun,
die grüne Stadt – ein sterbend Traum?
Wenn Oana guate Karten håt,
dann lebt er in da Gartenstådt.
Er wohnt in Ruah‘ und mit vui‘ Grün
und woaß genau: Er håt „Fortün“.
Im Glashaus treiben Pflanzl g’schützt,
Salatköpf‘ wachsen ungespritzt.
Bleamerl säumen Gartenwege,
Gartenarbeit halt uns rege.
Zizibä klingt ’s von dee Meiserl,
beim Brüat’n aus ‚m Vogelhäuserl.
Sanft da Wind streicht durch dee Äst‘,
für ’n Hausherrn täglich Freudenfest.
Erfrischend spritzt da Wasserschlauch,
auf sonngebräunten Weißbierbauch.
Dee Nachbar’n hab’n a freundlich’s Wort,
– is‘ dees net a scheena Ort?
Doch lauert gar da Bagger schon,
am nächsten Morgen zur Aktion?
Vielleicht hebt er am Nachbarhaus,
zum Graus dee nächste Baugruab’n aus?
Werd ‚as Grundstück streng genutzt
und dees letzte „Grün“ verputzt?
A g’spreitzter Bau mit Hochetasch‘?
– Da Maulwurf brummt an d‘ Tiafgarasch‘.
Wer grün no‘ wohnt, håt nix zum Lacha.
Woaß er, wås seine Erben macha?
Am besten – damit nix o’brennt,
g’hört „immergrün“ in ’s Testament!
Denn schließlich bleibt von der Substanz,
nur halberts … und nix wirklich Ganz’s.
Drum: Qualität vor Quantität!
… Verflixt nomoi‘ … und zugenäht …
Peter Panna meint
Wer baut denn dort?? Darf dort überhaupt gebaut werden wenn die Nachbarn nicht zustimmen?