Paul Huml malte ununterbrochen. Auch als es ihm schon körperlich schlecht ging, konnte er keinen Auftrag ablehnen. Nicht weil er Geld scheffeln wollte – er vergaß bisweilen sogar, eine Rechnung zu stellen. Der Malermeister, der tagsüber Hauswände strich, Türrahmen und Fenster lackierte, in Wischtechnik Treppenaufgänge und Holzgeländer verschönerte, Küchenwände marmorierte, Farben mischte und verkaufte, hatte eine Leidenschaft: die Malerei.
Er konnte, meist ohne große Skizze, mit geschwinden Pinselstrichen und einem sicheren Gespür für Proportionen eine kahle Hausfassade mit einer Lüftlmalerei verschönern. Dieses Talent stellte er, bescheiden und stets hilfsbereit, allen gerne zur Verfügung. So zieren noch heute – manchmal 40 Jahre und länger nach ihrem Entstehen – Heilige, Handwerker und Bauersleute, aber auch Tiere, Sonnenuhren und komplexe Szenen die Häuserfassaden in der näheren und weiteren Umgebung: in Feldmoching, der Fasanerie, in Moosach, Neufahrn, Geltendorf bis nach Tegernsee, Fürth im Odenwald, im österreichischen Mittereich und sogar im ehemaligen Jugoslawien.
Tagsüber Maler, nachts Künstler
Paul Huml arbeitete täglich oft 12 bis 15 Stunden. Vor allem abends und nachts war der Nachtmensch das, was er eigentlich hätte sein wollen, wenn die Umstände günstiger gewesen wären: ein Künstler. Dann zauberte er beispielsweise fürs Feldmochinger Volkstheater, dessen Mitglied er von 1960 bis zu seinem Tod war, in wenigen Stunden auf eine große Bühnenleinwand die Illusion einer Bauernstube. An die 100 Bühnenbilder hat er, ohne große Vorentwürfe oder stundenlange Besprechungen, gemalt. Sein Beitrag für den Verein. Er verlangte nur die Materialkosten. Kaum wusste er, was der Regisseur wollte, schon griff er zum „Malerwaschl“, einem großen Pinsel, und legte mit unglaublicher Schnelligkeit los. Aus der Nähe betrachtet wirken die Bilder oft etwas grob. Doch für die Zuschauer sind sie klar strukturiert und in der korrekten Perspektive. Sein größtes Werk: die elf Bühnenbilder für die „Pfingstorgel“. Dafür hat er 1980 sein Geschäft acht Tage lang geschlossen und im Pfarrsaal an die 400 Quadratmeter Bühnenbildfläche gemalt!
Ein Leben mit Farben und Pinsel
Paul Huml bemalte Maibaumtafeln, entwarf Plakate, etwa für den wöchentlichen Hauptfilm in den „Sonnenlichtspielen“ an der Josef-Frankl-Str., verzierte Milchkannen, Bauernschränke und Firmenschilder, zeichnete per Feder filigrane Tuschbilder, bemalte die Wände eines Schwimmbads mit Palmen und die Gebäude des Kraftfutterwerks mit fünf Firmenlogos, eilte von Bauernhof zu Bauernhof, um für den Faschingsumzug tags darauf schnell noch die Umzugswagen zu schmücken oder die Gemüsewagen für den Münchner Gärtnerumzug zu bemalen und zu beschriften. Er griff zu Pinsel und Ölfarben, um einen Tiroler Bauern auf Leinwand zu bannen, einen Hintergrund für eine Weihnachtskrippe zu gestalten oder wie anno 1972 eine Schützenscheibe für den Ersten Münchener Schwarzpulver Schützenclub“ zu malen. Selbst Lieferwägen standen in der Hofeinfahrt seines Hauses an der Dülferstr. 118 zum Beschriften und Bemalen – etwa vom Backhaus Zerlin, von Nagl Brot und der Bananenfirma „Onkel Tuca“. Auch die ersten roten Silotankwagen vom Kraftfutterwerk Dr. Zentz hat er eigenhändig mit farbigen Hühnerköpfen samt Firmenlogo verziert. „Ein Leben mit Farben und Pinsel“, so lautete einmal sein Resümee.
Das Malen war ihm Refugium
Eine akademische Kunstausbildung hat Paul Huml nie erhalten. Das hat er stets bedauert. Talent hatte er. Doch die handwerklich fachmännische Ausbildung verwehrte ihm das Schicksal weitgehend. Paul Huml wurde, mitten in den 1. Weltkrieg hinein, am 3. Juni 1915 im böhmischen Engelhaus bei Carlsbad geboren. Sein Vater Heinrich war Spezereiwarenhändler, sein Großvater Wenzl ein angesehener Bürger von Engelhaus: Der gelernte Steinmetzpolier und Bildhauer, Gründer der Freiwilligen Feuerwehr Engelhaus, war von 1930 bis 1932 Bürgermeister des Orts. Als Vater Heinrich 1927 stirbt, muss sich Mutter Amalie abrackern, um die fünf Kinder durchzubringen. Und die Kinder mussten tüchtig mithelfen. Für künstlerische Sperenzchen war keine Zeit. Paul Huml erlernte von 1929 bis 1932 das Handwerk des Lackierers und Schriftenmalers und arbeitete dann in Carlsbad als Malergeselle. Er wird er zur Wehrmacht eingezogen, später verwundet und gerät 1946 in britische Gefangenschaft. Im Internierungslager im englischen Ripon lernt er einen Kunstmaler kennen, der ihm vieles beibringt, auch die Aquarelltechnik. Mitte 1948 kehrt er nach Deutschland zurück, wo es ihn 1949 nach Feldmoching zum Malermeister Johann Wein verschlägt, dessen Tochter Elisabeth er lieben lernt und am 22. Juli 1949 heiratet. Johann Wein hatte im Krieg seinen einzigen Sohn Max auf der Krim verloren, da lag es nahe, dass der Schwiegersohn ins Geschäft einstieg (1950) und dieses nach Johann Weins Tod (1. Juni 1952) übernahm.
Schicksalsschläge blieben auch Paul Huml nicht erspart: Der Stammhalter stirbt 1951 zwei Tage nach der Geburt, seine Frau 1969. Da war er allein mit vier teils halbwüchsigen Mädchen. Das Malen war ihm Refugium, hier hat er im Leben Ruhe gefunden.